Leider Gottes, sagte der Schaffner heute, müssten die Fahrgäste wegen einer Baustelle zwischen Neustadt und Kitzingen auf Busse verladen werden. Ich habe nicht ganz verstanden, was Gott mit den Pannen der Deutschen Bahn zu tun haben soll, aber der Ausdruck ist ja auch nicht bahnspezifisch. Also wackelte ich der murrenden Meute hinterher und erlitt eine Busfahrt mit drei unverantwortlichen Überholmanövern, die aber unsere Verspätung minimieren halfen. Und kam ins Nachdenken.
“Leider Gottes” ist offenbar eine Formel, mit der man jede Verantwortung von sich weist: Ich kann nix dafür. Es ist halt leider Gottes so. Wir sind alle Opfer der Umstände. Höhere Gewalt (das fatalistische “da kann man nichts machen…”) heißt ja bei den Angelsachsen “act of God” und wird daher – leider Gottes – praktisch nur bei Unglücksfällen verwendet, was auch schon Bände spricht.
Frage an alle Germanistikstudenten – ich sitze inzwischen wieder im (nun Bummel-) Zug und konnte es von hier aus nicht ausgoogeln: Wie ist eigentlich der Genitiv hier zu deuten?
- Leidet Gott mit uns an der Bahn und ihren Pannen?
- Ist es eine Erinnerung an Gottes stellvertretendes Leiden – er kam unter die Räder, damit wir den Zug zum Himmel nicht verpassen?
- Schließlich: Ist Gott der Grund des “leider”, in welchem Falle noch zu fragen wäre, ob er der reale oder nur der vorgeschobene Grund der Verzögerung ist. Oder theologisch noch brisanter: Hat Gott diese Verspätung gewollt oder nur zugelassen? Und was will er uns damit sagen?
Der Schaffner hat sich natürlich keinen Kopf um diese Dinge gemacht. Bei der Deutschen Bahn muss man in den unteren Dienstgraden wohl Fatalist sein, um nicht durchzudrehen. Aber nun bin ich – Gott sei Dank! – in Würzburg angekommen. Hier sind leider Gottes übrigens gerade alle elektronischen Anzeigetafeln im Hauptbahnhof ausgefallen und alles irrt orientierungslos umher…
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Das sagt der Duden: „Das vielfach als Interjektion verwendete Adverb ‚leider‘ ist eigentlich der Komparativ von ‚leid‘, und zwar vom Adverb mhd. leide, ahd. leido. Dagegen ist ‚leider‘ in der Verbindung ‚leider Gottes‘ wahrscheinlich aus der Beteuerung ‚[beim] Leiden Gottes‘ entstanden.“
Nehme also an, dass man mit dieser Fügung ausdrücken will, dass auch Gott angesichts dieses unglückseligen Vorfalls leidet…
Was allerdings offen bleibt: Was treibst du so kurz vor Weihnachten in Würzburg? 🙂