Hin und wieder lese ich momentan in Hubert Schleicherts Buch Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren. Um exemplarisch zu zeigen, was aus einem Prinzip wie „man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ oder dem Einsatz für die Wahrheit (bzw. die Ehre Gottes, die Partei, das Proletariat) folgen kann, zitiert Schleichert den Genfer Reformator Calvin:
Jeder, der die Ansicht unterstützt, man tue Häretikern und Gotteslästerern durch eine Bestrafung Unrecht, macht sich bewusst mitschuldig und zum Komplizen desselben Verbrechens. Man komme mir nicht mit irdischen Autoritäten – es ist Gott, der hier spricht, und man sieht klar, was Er in seiner Kirche bis ans Ende der Welt bewahrt haben will.
Nicht ohne Grund schlägt Er alle menschlichen Gefühle nieder, von denen gewöhnlich das Herz erweicht wird; nicht ohne Grund verjagt Er die Liebe des Vaters zu seinen Kindern und alle Freundschaft zwischen Brüdern und unseren Nächsten; (nicht ohne Grund) entzieht Er die Ehemänner den vielleicht milde stimmenden Schmeicheleien ihrer Frauen; mit einem Wort: (nicht ohne Grund) beraubt Er die Menschen quasi ihrer Natur.
(Nämlich:) Damit nichts ihren Eifer erkalten lasse. Warum fordert Er diese extreme Härte und Unnachgiebigkeit, wenn nicht, um zu zeigen, dass man Ihm nicht die schuldige Ehre erweist, wenn man nicht Seinen Dienst wichtiger nimmt als jede menschliche Rücksicht, und weder Verwandtschaft noch Blut noch sonst irgend etwas schont; und dass man jegliche Menschlichkeit zu vergessen hat, wenn es darum geht, für Seinen Ruhm zu kämpfen?
Schleichert denkt nun nicht, dass Christen im 21. Jahrhundert noch so denken und argumentieren, aber er hält die Geisteshaltung, die sich hier ausspricht, für beispielhaft, wenn es um ideologischen und religiösen Fanatismus geht. Zum Glück ist das 500 Jahre her. Calvin stand damals auch keineswegs allein mit dieser Ansicht. Und trotzdem läuft es mir zumindest noch etwas kalt den Rücken hinunter.
Falls jemand beim Lesen auf diesem Blog bisher der Meinung war, das ich auf manche Argumentationsmuster recht empfindlich reagiere – vielleicht versteht man es vor diesem Hintergrund besser. Zum Beispiel dann, wenn jemand sagt, der höchste Ausdruck von Liebe sei es, einen anderen Menschen mit der vollen Wahrheit zu konfrontieren. Ich verstehe, was da auch gemeint sein könnte, aber es riecht mir zu sehr nach Fanatismus, wenn da die Wahrheit am Ende doch die Liebe absorbiert. In der Frage der Wahrheit kann ich irren, in der Liebe kaum. Es heißt eben nicht von ungefähr: Glaube, Liebe, Hoffnung – und die Liebe ist die größte unter ihnen.
…1 Kor 13,13 ist sogar noch deutlicher: „Glaube, Hoffnung, Liebe“ – in dieser Reihenfolge. Das Wichtigste zum Schluss.
Ich habe mir über diese Frage ja gezwungenermaßen viele Gedanken gemacht. Ich glaube, es ist am Ende echt eine Frage der Geisteshaltung. Mit der Wahrheit konfrontieren ist ja schön und gut. „In Liebe“ heißt allerdings nicht, dass man dabei ein bisschen nett ist, sondern dass man den betreffenden Menschen wirklich liebt. Das heißt, dass man eine Beziehung mit ihm eingeht. Das setzt vorraus, dass man sich mit ihm beschäftigt und die Welt aus seinen Augen sieht. Wenn man mal so weit ist, dann ist ein „Konfrontieren mit der Wahrheit“ ein An-der-Hand-Nehmen und zeigen, wie man selber die Welt sieht. Und auch bereit sein, dabei selber verändert zu werden. Menschen, die das können, bewundere ich. Ich glaube, Jesus war darin Meister.
Genau… das ist die Wahrheit: die Liebe!
🙂
Das Höchste meines Lebens ist , DICH lieben Herr !
DICH lieben mehr und mehr !
– ganz schön schwer –
doch DU selber gehst ja mit
und begleitest jeden noch so kleinen Schritt
und hebst mit Deinem liebevollen Humor
mich zu DIR empor
in DEINER LIEBES-Hand
zeigst DU mir ein neues Land
und damit mein Leben sich auch wirklich lohnt
hast DU DEIN EIGNES nicht verscchont …
Rechnest du eigentlich wirklich mit dem Geist Gottes oder hättest du den Herrn Jesus selbst mit seiner Aussage in Johannes 14,6 auch schon in die Ecke der Fanatiker gestellt. Wahre Liebe füttert in der Regel nur häppchenweise und unterschlägt dabei keine Wahrheiten der Schrift. In einem fanatischen Liberalismus sehe ich dagegen die Gefahr, den Willen Gottes in der Lehre ständig zu relativieren. Deshalb warnt uns das Wort auch mit folgender Aussage:
Offenbarung 3,16
So aber, weil du lau bist und weder kalt noch heiß,
werde ich dich ausspeien aus meinem Mund.
Davor bin ich eigentlich durch das Wort Gottes gehütet.
Was bitte ist denn „fanatischer Liberalismus“, Dieter? Mit solchen Retourkutschen („Ihr seid/Jesus war doch auch Fanatiker“ bzw. „sind wir nicht alle Fanatiker?“) ist ja nichts gewonnen. Sie zeigen nur, dass du dir den Schuh angezogen hast.
– Worum geht es hier eigentlich ?!?
– Woher mehmt ihr denn das Recht ,den anderen zu kritisieren ?!?
– WER ist der LEHRER?!?
– kritisiere nicht , auf daß DU nicht kritisiert wirst -ODER?!?
– und WAS sagte ER dann noch mehr ?
– Doch wohl nur :*“Hast DU mich LIEB ?“*
– 3!!! mal! –
– Es geht doch wohl um die persönliche Antwort eines jeden auf diese Frage – und nicht um irgendwelche Ideologien oder differierenden Auslegungen .
– Also beantworte IHM diese Frage ! Ehrliches Antworten ist hier schwer genug .
-Gottes Liebe geht an das Kreuz – für dich und mich .
@Dieter:
Man darf fanatisch lieben!
Natürlich unterschlägt die Liebe keine Wahrheit, sondern fördert sie. Sonst wäre es keine Liebe. Doch Wahrheit ohne Liebe ist wie Schlag mit einem Eisenhammer mitten ins Gesicht. Das heilt nicht, das zerstört nur.
Natürlich drängt die Liebe von Gott her zu Ihm hin. Sprich: Die Liebe will Seinen Willen tun.
Aber unterwegs begegnen uns Zweifel. Und mitunter plumpe Antworten, die nicht weiterhelfen. Uns begegnen verschiedenste Erkenntnisse. Das lässt mich nicht kalt. Dann hinterfrage ich auch mal das, was ich bisher als Wahrheit proklamiert habe. Das halte ich nicht für „liberal“.
Gott ist mit Dir!
@Mored: Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du in ganzen Sätzen schreiben würdest und bitte nicht so LAUT, wir können alle auch kleine Buchstaben lesen.
Wenn andere hier zu einem Thema kontrovers diskutieren, ist es meine Sache als Gastgeber, die Grenzen abzustecken. Ok?
@Berlinjc: „Fanatisch lieben“ finde ich eine extrem unglückliche Verbindung von Begriffen. Fanatismus hat, im Gegensatz zur Liebe, immer etwas aggressiv Trennendes, Spaltendes und Ausschließendes, und er dreht sich um Ideen und Lehren, nicht um Menschen.
Wenn ich mal davon absehe, dass ich in Sachen Form bezüglich Moreds Post Peters Ansichten teile, finde ich, dass er den Nagel schon ziemlich auf den Kopf trifft. Zumindest falls ich ihn richtig verstehe.
Ich finde, in der eigenen Beziehung zu Gott und den eigenen Lebensentscheidungen soll man ruhig radikal sein (wobei es auch hier denke ich gut für die emotionale und spirituelle Gesundheit ist, wenn man weiß, dass das ein „Dürfen aus Liebe“ und nicht ein „Müssen aus Angst“ ist). In Bezug auf meinen Nächsten ist aber die Annahme und die Liebe im Vordergrund.
Das sehe ich gerade von Jesus (und auch von Paulus) bestätigt. „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“, das Splitter-und-Balken-Prinzip, etc. sind hier finde ich recht klar.
Leider ist es unter Christen oft andersherum. Die Anderen werden verurteilt, während ich selber mich damit arrangiere, dass ich meine T-Shirts bei H&M kaufe, niemanden im Gefängnis besuche, im internationalen Vergleich im Luxus lebe, etc.
@Tobias: Kein Einwand, nur müssen wir Selbstgerechtigkeit und Fanatismus unterscheiden. Andere zu richten ist nicht meine Aufgabe und doch muss ich an manchen Punkten widersprechen und Grenzen setzen, das hat Jesus auch getan. Fanatiker versuchen, die falschen Grenzen mit den falschen Mitteln zu behaupten. Im Einzelfall ist das oft eine knifflige Frage, auch wenn man das Gesamtbild meist schnell erkennt.
@Peter: Bzgl. Selbstgerechtigkeit und Fanatismus: Wo würdest Du hier die Abgrenzung ziehen? Kannst Du nochmal definieren, was Du unter beiden verstehst?
Kannst Du mal Beispiele nennen, woran Du denkst, wenn Du sagst Du musst an manchen Punkten widersprechen und Grenzen ziehen?
Und kannst Du auch mal Beispiele nennen, woran Du hier bei Jesus denkst?
Und schließlich: wie urteilst Du, wo Du Grenzen ziehen sollst und mit welchen Mitteln?
Alle diese Fragen sind gedacht, um Deine Gedanken besser zu verstehen. Mir ist bewusst, dass das eine sehr knifflige (und spannende) Angelegenheit ist.
@Tobias: Warte noch ein bißchen, es kommen noch ein paar Posts zu Fanatismus. Selbstgerechtigkeit ist moralisch („besser als du“), Fanatismus ist ideologisch („richtiger als du“). Daher muss ein Fanatiker einsehen, dass sein Fanatismus nicht schlecht ist, sondern falsch. Denn der Fanatiker ist bereit, im Namen der Wahrheit Dinge zu tun, die er in anderen Zusammenhängen durchaus als schlecht oder unmenschlich begreift.
Jesus jedenfalls kann die Pharisäer ja ganz scharf angeifen (vgl. Matthäus 23).
@Peter A.: Die letzten großen Diskussionsrunden auf Deinem blog drehten sich um inhaltliche Fragen, wobei es mehr und mehr um die Frage ging, wie wir miteinander diskutieren können. Nun Dein aktueller Beitrag dazu. Ich gestehe: Ich stehe ein wenig unter Schock. Warum? Bist Du ernsthaft der Meinung, dass die kritischen Mitdiskutanten Wahrheitsfanantiker sind und anderen die Wahrheit „um die Ohren hauen“, während Du z.B. vor allem die Liebe und in Liebe predigst (oder verstehe ich Deine Worte im Post so falsch?)
Was mich am meisten fassungslos macht ist, dass Du statt weiterer inhalticher Auseinandersetzung mit der Todschlagkeule „Liebe“ kommst, die jegliche Diskussion und andere Meinung im Keim erstickt, weil man ja lieblos ist, wenn man seine vielleicht sehr anders geartete Meinung mit Überzeugung genauso selbstbewusst postet wie Du. Ich habe nicht nur einmal miterlebt, wie aufgrund solcher Argumentationen Machtmissbrauch stattgefunden hat. Ganz ehrlich, bei mir klingen die Alarmglocken!
Und ein Letztes: Kommunikationstechnisch benutzt Du einen m.E. sehr missverständlichen Stil. Einerseits ist ja alles nur subjektive Meinung (oder darf es nur sein), aber bei bestimmten Äußerungen „ist“ auf einmal irgendetwas so oder so. Und Du entscheidest, wann jemand z. B. (siehe lügt Gott-Diskussion) ganz falsch liegt und irgendetwas gar nicht sein kann. Sorry, da komm ich nicht mit.
@Lotta: Sorry, wenn mein Stil für Dich missverständlich ist. Gegen Deine Alarmglocken kann ich wenig machen, weil wir wohl sehr verschiedene Vorgeschichten und damit auch Empfindsamkeiten haben. Ich will nicht jede Kritik abschmettern, aber hier und da fand ich – und nicht nur ich – einzelne Beiträge durchaus hart an und eventuell auch jenseits der Grenze zum Übereifer. Das Buch habe ich schon seit ein paar Monaten, es steht also in keinem Zusammenhang zu letzter Woche – für meinen Geschmack nimmst Du alles, was ich hier schreibe, etwas zu persönlich. Dort habe ich im Übrigen auch schon einmal erklärt, dass ich weder der Meinung bin, dass es immer nur eine richtige Meinung oder Interpretation gibt, noch dass daraus für mich zwingend folgt, jede Meinung müsse richtig sein. Ist doch eigentlich ganz einfach.