Warum gibt es das eigentlich so selten in unseren Zeitungen, was Gerard Baker in der Times zu Ostern schreibt. Statt ( wie unsere Jungs alle) über die Lage des Jesusgrabes zu grübeln, zeigt er, wo das eigentliche Rätsel liegt:
Es reicht also nicht, wenn man glaubt, dass Christus nur ein guter Mensch war, ein Lehrer der Moral, das klassische Opfer eines grausamen Unrechts? Es geht nicht. Wie man es dreht und wendet, die Geschichte von Karfreitag verändert die Welt kein bisschen ohne die Auferstehung. Nicht nur, weil Jesus ohne sie nur ein weiterer Mensch wäre, der in einer verdorbenen Welt ungerecht behandelt wurde. Sondern weil es erst der Schock des leeren Grabes am Sonntagmorgen ist, der uns hilft zu verstehen, was sich am Freitag abgespielt hat.
Es bringt uns dazu, zu verstehen, dass alles Leiden und Sterben nicht das Ergebnis einer grauenvollen Verfolgung eines Menschen durch isolierte Gruppen von Juden oder Römern oder ehemaliger Freunde und Anhänger war. Sondern dass das Opfer ein Mensch war, der für die ganze Menschheit stand. Dass wir in diesem erschütternden Augenblick irdischen Leidens mit dem Schöpfer aller Dinge völlig vereint worden sind (…). Die Vorstellung, dass Gott selbst mit uns litt, damit wir alle gerettet werden können, ist der geheimnisvolle Kern der Geschichte, an die wir uns dieses Wochenende erinnern.
Die Theologie vor Golgatha
Die Unterschiede im Glauben des leidenden Gerechten im Alten Testament zum Jünger Jesu im Neuen Testament werden jeweils subsummiert unter dem Eindruck vor und nach dem Ereigniss der Kreuzigung und seinen Folgen. Die einen lebten bis dahin ohne dessem Kenntnis und hatten ein entsprechendes Gottesbild, die anderen in der Zeit nach Christi deuten es auf ihre eigene Weise und bildeten im Laufe der Jahrhunderte die bekannten Bekenntnisse und Dogmen, die auch für uns noch verbindliche Grundlagen sein wollen. In dieser österlichen Zeit denke ich jetzt (kritisch) an das Postulat der Allmacht Gottes und an die Erlösungstat Jesu Tod am Kreuz.
So sehr auch das Kommen Jesu und sein Tod auf Golgatha ein entscheidender Einschnitt in der Geschichte Gottes mit dem Menschen ist, nämlich die Erlösung, so haben sich die Christenmenschen dennoch im Rückblick auf zwei Jahrtausende allgemeinhin wenig geändert im Vergleich zu den vorchristlichen Taten heidnischer Völker. Insbesondere die sogenannten Frommen, die Kirchenführer und ihr Verhalten lassen zu wünschen übrig.
Und das Gottesbild?
Wie es den ersten Jüngern erging, so tun wir uns bis heute schwer, das zu verstehen, richtig zu deuten und zu tun, was Gott will. Jesus hat es nicht nur formuliert gegenüber Nikodemus oder dem reichen Jüngling, sondern selbst auch vorgelebt. Sein Imperativ: Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel ist.
Dennoch kam es in der Folge zu gravierenden Missverständnissen, zur Weltflucht, Askese, Sehnsucht nach dem Tod, Leibfeindlichkeit und Verleumdung, Verketzerung, Jusitzirrtum und Rechtsbeugung, Mord und Totschlag, Sklaverei… und so manch anderen skurillen Fantasien. Das erinnert an die tiefe Verzweiflung und Zerstörungswut des Kain, der seinen Bruder Abel erschlagen hat. Darüber sind wir scheinbar immer noch nicht hinausgewachsen!
Tod und Auferstehung können uns heute eine andere Sicht der Wirklichkeit geben, manchmal wohl fernab vom Alltag, beeinflussen sie dennoch unser Tun und Denken. Wir wissen, dass wir geliebt sind und dass uns vergeben wird.
In den Schriften des Alten Testamentes (Ps. 30) gibt es oft eine Zäsur, einen Bruch im Text. Man spürt die Spannung und es ist deutlich, dass da etwas nicht zusammengehen will, es passt nicht oder da kommt eine Wendung hin zu etwas völlig Neuem.
Eine Sollbruchstelle?
So könnte man es sehen:
Das Vertrauen wird transponiert.
Der Glaube transparent.
Wider alles Wissen,
wider alle Erfahrung –
und entgegen allen Tatsachen…
Es ist schon ein Unterschied, der auf den ersten Blick untergeht. Es sieht aus, als ob der Beter der Psalmen naiv unreflektiert denkt, Gott wird’s schon richten (Motto: mein Gott ist stärker als deiner!) – im Gegensatz zu allem, was er um sich herum sieht und spürt… in Wahrheit hat er auch schon als Kind seiner Zeit die Perspektive, die über das ganze Elend hinausweist hin zu Gott, der ihm aus aller Not heraushilft. Versöhnung mit Gott und der Welt.
Wunder gibt es immer wieder
– nur so wie die Welt ist, hat auch Gottes Allmacht Grenzen! Naturgewalten oder die Macht des Stärkeren, der den Schwächeren frisst, sind eben Realität und davor kann niemand den Kopf in den Sand stecken. –
Meine Kraft beziehe ich erstens ebenso aus einem blinden Vertrauen, aber nicht in Leugnung der wahren irdischen Verhältnisse oder auf einem Feindbild basierend. Zweitens: Ich weiß nichts Genaues darüber, was nach meinem Tod kommt. Die Einzelheiten spielen aber auch keine Rolle für mich und mein Leben. Viel wichtiger sind für mich die Gedanken, Worte und Taten im Leben Jesu und was er damit erreicht hat. Er hat das Gute schlechthin getan und verkörpert.
Auch wenn er in die tiefste Tiefe gefallen ist und verlassen, verloren, überwältigt wurde – Gott hat ihn wieder auferweckt und erhöht. Er lebt und ist der Sieger! Das ist Ostern.
Liebe und Vernunft
Ja. sehen wir die Welt nüchtern, wie sie ist. Eben da sind sie, die Früchte eines Vorbildes, an dem wir hängen:
Die Abschaffung der Sklaverei oder später der sog. Apartheid (1992), die Ost- und Europapolitik, die Friedensarbeit heute und der Gewaltverzicht, der Kampf um die Menschenrechte (besonders die Rechte der Frauen), Bildung, Hygiene, Medizin und landwirtschaftliche Projekte, den Schutz der Natur gegen Ausbeutung und Vernichtung, soziale Gerechtigkeit, die globale Sicht auch der Wirtschaft und des Handels bis hin zum Fair Trade und vieles andere mehr –
all das sind die Früchte desselben Vorbildes, welches uns Jesus der Auferstandene und der Sieger gegeben hat.
Dieses (ganzheitliche) Denken finden wir ( bei den Menschen) im Alten Testament in dieser Weise solchermaßen noch nicht, aber wenn wir genauer hinschauen trifft es auch dort den Lebensnerv. Gottes Wille war schon damals derselbe! Der Kampf um Gerechtigkeit und Frieden ist alt, wenn es auch viele Umwege gab. Versöhnung mit Gott und der Welt.
Ist es Liebe oder Vernunft? Beides! Es macht hier keinen Unterschied. So lasst uns ihm nachfolgen.