Eigentlich hatte ich keine Lust, etwas über Mark Driscoll zu schreiben, selbst als sich in den letzten Wochen die Aufregung um seine Person erheblich zuspitzte. Mir wäre nichts Neues eingefallen, und dass ich seine theologische Position, seine Ausdrucksweise und seine eigentümliche Interpretation von „Männlichkeit“ für indiskutabel halte, habe ich hier mehrfach zu Protokoll gegeben. Driscoll war für mich in den letzten Jahren der Luis Suarez der Rechtsevangelikalen und Neoreformierten.
Heute kam nun die Nachricht von seinem Rücktritt. Auch die war nach dem ganzen Vorlauf keine große Überraschung. Aufschlussreich und äußerst nachdenkenswert fand ich die letzten Sätze in dem Bericht von Sarah Pulliam Bailey auf RNS, alles O-Töne des langjährigen Aushängeschilds von Mars Hill und Acts 29. Da geht es nicht um die Dinge, die ich schon immer kritikwürdig fand. Es wird das Selbstverständnis eines Menschen und seines Umfeldes deutlich: Der absurde Kult um Größe, Wachstum, Konkurrenz, Gewinnen und Erfolg, der so wunderbar in den Mainstream der US-Kultur passt und doch so völlig unvereinbar mit dem Evangelium ist. In Driscolls Worten:
“I’m a guy who is highly competitive. Every year, I want the church to grow. I want my knowledge to grow. I want my influence to grow. I want our staff to grow. I want our church plants to grow. I want everything — because I want to win.”
Driscoll conceded that he wouldn’t be content with remaining the same. “That’s my own little idol and it works well in a church because no one would ever yell at you for being a Christian who produces results. So I found the perfect place to hide,” he said.
“And I was thinking about it this week. What if the church stopped growing? What if we shrunk? What if everything fell apart? What if half the staff left? Would I still worship Jesus or would I be a total despairing mess? I don’t know. By God’s grace, I won’t have to find out, but you never know.”
Über Kampf und Konkurrenz als tödliche Krankheit unserer Gesellschaften schrieb diese Woche George Monbiot im Guardian: „The war of every man against every man – competition and individualism, in other words – is the religion of our time, justified by a mythology of lone rangers, sole traders, self-starters, self-made men and women, going it alone.“ Und dieser (Driscoll sagt es ja selbst!) Götze, dem eine ganze Bewegung huldigte, hat ihn nun im Stich gelassen. Früh genug, um sich umorientieren zu können und einen anderen Weg einzuschlagen, auf dem man die Ellenbogen angelegt und das Beißen bleiben lassen kann. Nun, wo er dieses Biotop, in dem er der geworden ist, der er ist, verloren hat, könnte er durch Gottes Gnade entdecken, wovon er durch diese schmerzhafte Trennung erlöst wurde und wozu ihn das befreit.
Und in all dem könnte er den Jesus, um den es ihm immer ging und den er doch nur so verzerrt kennen gelernt hatte, vielleicht noch einmal neu sehen lernen. Die wirkliche Gnade ist nicht, dass er es nicht herausfinden muss, sondern dass er es nun endlich herausfinden darf.
Ich wünsche es aber auch allen anderen, die Mark Driscoll gewähren ließen – weil er Erfolg und „Ergebnisse“ brachte, weil er Machtphantasien bediente, weil er die Illusion ermöglichte, christliche Gegenkultur könne sich mit dem kruden Weltbild und der mehr als nur unterschwelligen Aggression der Rednecks und Teaparty-Konservativen erfolgreich verbünden zu einem coolen Mix – dass sie ihn nicht zum Problembär und Einzelfall mit (fraglos) schwierigem Charakter abstempeln und sich die Hände in Unschuld waschen, sonst wiederholt sich dieses Drama womöglich nur mit neuer Besetzung. Driscolls Schreiben, mit dem er seinen Rückzug ankündigt, lässt ahnen, dass er lieber früher als später zurückkommen möchte. Aber das wäre unklug.
Um es in bewusster Abwandlung des berüchtigten John-Piper-Tweets („Farewell, Rob Bell“) zu sagen: Come back, Mark Driscoll, aber bitte lass dir und der Gnade auch genug Zeit dabei.