Bekenntnisse auf dem grünen Rasen

Letzte Woche hatte ich eine kleine Korrespondenz mit einem Blogleser, den das Verbot von (bestimmten) Glaubensäußerungen bei der Fußball-WM störte. Schränkt die FIFA die freie Religionsausübung ein? Ich habe eine Weile nachgedacht und sehe das Thema mit sehr gemischten Gefühlen:

Erstens ist die WM auch ohne Jesus-lebt-T-Shirts unter dem Trikot voller kleiner Gesten: Akteure bekreuzigen sich oder bilden eine Gebetsrunde auf dem Platz. Maradona hat vorgestern acht Kreuze geschlagen. Oder war es einfach nur ein nervöses Fingerzucken, das er nicht abstellen kann?

Zweitens begeistern mich nicht alle Christen: Wenn jemand sich bei der Einwechslung demonstrativ bekreuzigt und dann Ellbogenschläge verteilt oder einen Gegenspieler umsäbelt, auf die Gefahr hin, dass der sich verletzt, dann bringt er damit auch Gott in Verruf, mit dem er sich identifiziert hat.

Drittens scheint mir manches (z.B. bei Maradona, von dem in seiner aktiven Zeit in Neapel angeblich Bilder aufgestellt und Kerzen davor angezündet wurden) eher mühsam verbrämter Aberglaube zu sein: eine Art magisches Ritual – der Versuch, (den Fußball-)Gott zu bestechen oder auf die eigene Seite zu ziehen.

Viertens bin ich froh, dass keine Parolen auf den Unterhemden erscheinen. Was hätten wohl die Nordkoreaner geschrieben? Oder die Algerier? Es gibt Anlässe, da gehört so plakative Werbung nicht hin. Auf einer Beerdigung oder im Bundestag fände die wenigsten von uns so etwas gut – zu Recht. Was jemand in einem Interview sagt, ist ihm sowieso freigestellt, auch von der FIFA. Es bleibt also genug Raum für öffentliche Bekenntnisse, aber eben nicht in jeder Form.

Das eigentliche theologische Dilemma scheint mir aber zu sein: Welche Rolle spielt Gott beim Ausgang eines Spieles? Wird die WM primär im Gebet und erst sekundär auf dem Platz entschieden? Lässt Gott sich vor den eigenen Karren spannen oder hält er sich schön heraus und lässt die Besten gewinnen? Trübt göttliche Vorsehung den Blick und lenkt das Urteil des einen oder anderen Schiedsrichters oder sind da finstere Mächte am Werk? Reichlich Platz für Spekulationen und Streitereien.

Ich würde es dabei belassen: Ein Fußballer ehrt Gott vor allem, indem er gut und fair spielt. Abgesehen davon sind Gottes Wege unergründlich, und das ist wenigstens bei einer Fußball-WM gut so.

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3 Antworten auf „Bekenntnisse auf dem grünen Rasen“

  1. Na, da finde ich ja nichts, worüber man sich auslassen könnte 😉

    Das Atheisten und Christen nicht immer der selben Meinung sind, dürfte bekannt sein. Der Artikel hier hat mir aber gut gefallen. Einige Dinge angesprochen, und – hoffentlich – manche zum Nachdenken angeregt. Vor allem, das es teilweise nicht um Gott, sondern m.E. um Aberglaube geht. Grade das Beispiel Maradona.

    Den Teil „was hätten wohl die Nordkoreaner geschrieben? Oder die Algerier?“ find´ ich stark! LG

  2. Also, ich hoffe mal, dass es in Gebeten hier um das Gebet für faire Spiele, Frieden auf dem Platz zwischen den Teams und im Team und wenig Verletzungen geht. Alles andere wäre doch nun wirklich nicht angebracht. Bei uns beim Ultimate Frisbee ist die höchste Regel der „Spirit of the Game“ und der schließt ein, dass ich als Spieler mein Bestes gebe und meinen Gegner maximal fordere, ohne unfaire Mittel einzusetzen. Ich denke, das ist im Fußball genauso sinnvoll und wenn man für das Spiel beten will, dann doch dafür, dass das eigene Team in diesem Geist spielt und dadurch Gott, dem Sport und der eigenen Nation Ehre bringt.

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