Bayernhasser

Die Szene hatte etwas derart typisches, dass die Akteure keine Rolle spielen: Das Gespräch kam auf Fußball und es fiel ein (in diesem Fall sogar nur leicht) schadenfroher Kommentar zum „Stolpern“ der Bayern in Mönchengladbach und der Möglichkeit, noch alle drei Wettbewerbe zu verlieren. Trotzdem hat es mich wieder an die zahlreichen Bayernhasser erinnert. Ich glaube, das Maß an Häme gibt es bei keiner anderen Mannschaft in diesem Land und ich kann es einfach nicht verstehen.

Was ich verstehe ist, dass man sich für eine Mannschaft begeistert. Dass es die Bayern sind, war in dieser Saison nachvollziehbar wie schon lange nicht mehr. Was mich also betrifft: Ich freue mich jede Saison genau zweimal, wenn Dortmund, Hamburg, Stuttgart oder wer sonst noch verlieren. Einmal in der Hin- und einmal in der Rückrunde. Nein, eigentlich freue ich mich, weil Bayern diese Spiele hoffentlich gewinnt. Den Rest der Saison sollen alle anderen meinetwegen gewinnen. Verdient, hoffentlich. Wenn’s sein muss, dann auch mit Dusel, wie das international spielfreie und trotzdem schlappe Schalke in Berlin.

Hätte sich also ein Fan der Gazprom-gesponserten Knappen über das Glück (und etwas anderes war das ja kaum dieses Wochenende) gefreut, könnte ich das auch verstehen. Aber all jenen, deren Verein auf Platz 3 oder drunter steht und keine Chance auf die Meisterschaft mehr hat, sollte das doch egal sein können. Alles andere wäre eine reichlich verquere Form von Selbstwertgefühl.

Bayern-Fans stecken das in der Regel so weg, dass sie den Neid als verdecktes Kompliment und die Häme als Anerkennung der Tatsache werten, dass die Bayern nicht der Buhmann, sondern das Aushängeschild des deutschen Fußballs sind – und nach innen nicht der Bodensatz oder die Unterkante, sondern das Maß der Dinge. Ob sie bei den nächsten Triple-Schritten noch stolpern oder nicht, sie können schon jetzt stolz sein auf diese Saison. Ich mag diese Truppe wegen ihres Charakters.

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16 Antworten auf „Bayernhasser“

  1. Vielleicht sind die Bayern (allen voran ihr immerhin herzerfrischender Neu-Präsident) einfach der Beweis dafür, dass Größe ohne Demut selten liebenswürdig ist?

  2. Na, wenn du Hoeneß mit Abramowitsch, Calderon oder Berlusconi vergleichst, sieht er doch richtig gut und bescheiden aus. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, aber bodenständig (hat ja was mit „humilis“ zu tun) ist er immer geblieben.

  3. Bedenkenswert …
    ich selber bin wenig sportinteressiert. Komme aus einer Familie von St.-Pauli-Fans und habe schon all meine Leidensbereitschaft in meinen Glauben investiert. 😉
    Aber wenn „meine“ Mannschaft (Wahlweise dann auch der HSV oder „Doitschland“) keine Chance hat, dann wünsche ich mir immer wenigstens, dass nicht der Favorit es wird, sondern irgendein Außenseiter, den keiner auf der Rechnung hatte. So wie Becker gegen Lendl. So wie Chang gegen Edberg. So wie Griechenland 2004. So wie Südkorea 2002, bis es auf „uns“ traf.
    Ich mag einfach gute Geschichten, und da ist es immer schöner, wenn der kleinere gewinnt. Hat nichts mit Hass zu tun.

    Genau das habe ich als Kind an David und Goliath gemocht. Und ich glaube, dass das die meisten an der Geschichte lieben. Könnte da ein religionswissenschaftlicher Zusammenhang mit der Schadenfreude über die Bayern liegen? Die Rede von den beiden kommt ja im Sportjournalismus häufig vor.

    Ist hier vielleicht christliches Erbe verschüttet? Solidarität mit den Schwachen? Antipathie gegen die Unbesiegbaren? Oder einfach der Wunsch nach guten Geschichten?

    Theologisch und soziologisch wäre vielleicht in die Richtung weiter nachzudenken.

  4. Ja-iiiin… Eine Spitzenmannschaft kann gegen kleine (und für dieses eine Spiel auch topmotivierte) nur verlieren; das ist eh schon die Grunddynamik, mit der sich eine erfolgreiche Truppe auseinandersetzen muss. Nur sind solche Außenseiter längst auch hochgradig gesponsort (z.B. Wolfsburg, Hoffenheim, Leverkusen oder eben Schalke) und wären ohne Großkapital nicht denkbar. Sie sind also gar keine „echten“ Davids. Trotzdem werden sie dann regelmäßig zusammengefaltet in den europäischen Wettbewerben.
    Die aktuelle Bayern-Saison dagegen ist eine gute Geschichte, nach morgen abend vielleicht sogar eine sehr gute. Und sogar eine der Davids: Thomas Müller und Holger Badstuber zum Beispiel. Wer kannte die vor einem Jahr denn?

  5. Schon klar. Mir geht es auch nicht um sportliche und wirtschaftliche Tatsachen, sondern darum, wie die Vereine traditionell wahrgenommen werden. Sowas ändert sich nicht, bloß weil es nicht mehr der Realität entspricht.

    Ich schreibe jetzt hier bewusst als Nichtbayer und als Nichtfußballfan, der merkt, dass ihn diese Thematik trotzdem interessiert, und sich fragt, warum. Das kann sich mit Deinen Beobachtungen als Bayernfan nur aspektivisch ergänzen

    Als Versuch einer anderen Erklärung der Bayernhäme (so verstehe ich Dein Anliegen) wäre es vielleicht interessant, sie in einem Zusammenhang mit der sonstigen Position Bayerns in der BRD zu sehen. Freistaat, CSU, Einparteienregierungen, Ludwig II und Folklore. Das ist zwar völlig einseitig dargestellt, aber Klischees überleben gerade deshalb.
    Ich weiß noch, dass ich als Kind in Hamburg nie verstanden habe, warum der Schlachtgesang ging „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“, schließlich trugen die ja auf dem Platz gar keine Lederhosen. Wenn sich so ein Gesang so lange hält, dann, weil es eigentlich bei der ganzen Sache nicht um Fußball geht. (Und nur deswegen interessiert sie mich.)

  6. Lieber Peter, ob Häme, Hass oder was auch immer: der FCB hat es sich treu erarbeitet. Nicht der Erfolg macht neidisch, sondern wie er erkauft wird (vielleicht nicht diese Saison, aber schon so oft). Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist es System den anderen BuLi-Klubs die besten Spieler abzukaufen. [Jaja, dürften die anderen auch machen..] Was richtig aufstößt: gern kauft man sie auch für die Tribüne – da können sie immerhin keine Tore gegen Bayern schießen. Und dieses Vorgehen hat Herr Hoeness ja auch schon zugegeben. Zudem kommt die Arroganz der Führungsetage. Diese Kombination lässt es mich regelmäßig schütteln. Antipathie kann man sich halt auch erarbeiten.

    Von mir aus können die Bayern ja gerne die Championsleague gewinnen, aber dann wird Werder Pokalsieger und Schalke macht den Meister. Wäre doch gerecht verteilt, oder? Und eine schöne Geschichte wäre schon, wenn der Herr Magath (als einer der erfolgreichsten Trainer des FCB, dann als nicht gut genug verjagt) zum zweiten Mal nacheinander einen sicher gewähnten Titel entreißt. Einfach sympathischer…

  7. @Ebbelwain: Ich wundere mich über die Einseitigkeit dieser Feindbilder trotzdem – kaum ein Verein macht so gute Nachwuchsarbeit wie der FCB. Das mit der Tribüne halte ich für Quatsch – warum spielt denn Kroos derzeit in Leverkusen und Breno (bis zur Verletzung) in Nürnberg? Für viele Spieler ist nicht das Geld, sondern eine stabile internationale Perspektive der Anreiz, nach München zu gehen.
    Die hat wesentlich mit einem fachlich guten Management zu tun: Der Verein ist (anders als viele BL-Clubs und die Großen in England, Italien und Spanien) schuldenfrei.
    Die letzten zwei Jahre waren andere Clubs Meister und haben sich bemüht, die BL in Europa zu vertreten. Magath als Sympathieträger finde ich … naja, gewagt. Und wenn Schalke meisterlich gespielt hätte die letzten Wochen, würde ich ihnen den Titel durchaus gönnen, aber den Nachweis sind sie schuldig geblieben trotz des leichten Programms.

  8. Dass die Bayern ein Super-Management haben, kann keiner bezweifeln. Die Kontinuität dort hat aus dem FCB gemacht was er jetzt ist – keine Frage. Von daher kann ich sehr wohl differenzieren.

    Dass Magath nicht schön spielen lässt, hat er ja zu seinen FCB-Zeiten gezeigt – und ist deshalb geschasst worden. Tenor damals: Erfolgreich ist er ja schon – aber jetzt wollen wir auch noch schön und erfolgreich spielen. (Und das meine ich mit Arroganz (der Macht) – so grimmig wie die Vorstandsetage von den Bayern guckt niemand, wenn er mal verliert. Das immer schon aus, als ob sie persönlich beleidigt wären)

    Aber der Hit wäre es schon für „meinen“ Sympathieträger: mit vier Vereinen (Stuttgart, Bayern, Wolfsburg und Schalke) Deutscher Meister zu werden. Ich mochte Magath zu seligen Frankfurter Zeiten schon. Wir haben ihn ja auch den Namen Quälix verpasst, nur leider hat’s damals noch nicht zum Meistertitel gereicht… Schade 😉

  9. Die anderen Präsidenten werden gar nicht richtig gezeigt im Fernsehen. Niemand weiß, wie die bei Niederlagen schauen. Wenn Du mal richtig miesen Umgang mit Trainern sehen willst, schau den Club an. Für Magath war die Entlassung sicher nicht schön, der Schatten von Hitzfeld war einfach zu lang, denke ich. Aber wie auch immer – jetzt spielen sie erfolgreich und sehr ansehnlich. Geht doch!

  10. …die Frage ist doch im Grund genommen, wie die Bayern ohne Uli Hoeneß wären. Und genau das kann ich mir einfach nicht vorstellen… :-/

  11. im tiefsten herzen mögen die bayern, dass wir alle gegen sie sind. gehört zum image, ist sozusagen kult. (deswegen hat der uli, den ich im übrigen menschlich sehr anständig finde, doch auch gerne öl ins feuer gegossen, wenn wir anderen nicht genug geschürt haben 🙂 )

  12. Gibts unter Christen ja auch, das mit dem Öl. Umgekehrt hat es für die anderen auch eine psychohygienische Funktion für das Weltbild vieler, dass es das absolute Böse doch irgendwo gibt – da draußen natürlich 😉

  13. Der sportliche Erfolg des FCB ist über jeden Zweifel erhaben. Die Bayern machen sich aber konsequent unbeliebt, weil sie aggressiver als jeder andere Verein Spieler abwerben. Sie haben (als einziger?) Bundesliga-Verein nicht das Nicht-Abwerbe-Abkommen für Jungspieler unterschrieben und haben viele große Talente nach dem Abwerben auf der Ersatzbank versauern lassen. Das tut weh. Besser, wenn die Spieler nach England oder Spanien gehen, als zu den Bayern.

  14. @Dan: Mag sein, dass es früher so war (und das Abkommen ist sicher sinnvoll!), aber aktuell ist die Ersatzbank so ausgedünnt, dass es schon sehr riskant ist. Im Grunde braucht man in München ja einen großen Kader.

    Hermann Gerland ist ja erstens extrem bescheiden und hat zweitens ein echtes Händchen für Talente. Und ist es in England oder Spanien wirklich besser, wo man mit ganz anderen Summen um sich wirft? Odonkor hat der Ausflug nach Spanien nicht gut getan, Timo Hildebrand kam zurück, Metzelder ist untergegangen…?

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