Der Kriminologie Christian Pfeiffer untersucht Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Das Thema ist ja leider bleibend aktuell und keineswegs auf die katholische Kirche beschränkt. Auf die Frage der Zeit, ob er keine Mühe habe, seine Abscheu gegenüber den Tätern zu unterdrücken, antwortet er:
Verachtung gegenüber den Tätern ist mir völlig fremd. Wenn man mit ihnen sprechen will, muss man sie doch erst einmal als Menschen annehmen und ihr Leben verstehen. Unsere erste Frage an Priester wird nicht sein, was sie Böses getan haben. Wir möchten zunächst erfahren, wann ihr Leben gut war, wann sie glücklich, wann sie stolz auf sich waren. Erst dann können wir uns dem Thema Missbrauch annähern. Anders kann man mit Menschen nicht umgehen.
Die Fähigkeit, einen anderen trotz aller Schuld als Menschen und nicht als Monster zu sehen – ohne dabei ein Verbrechen zu verharmlosen – täte der öffentlichen Diskussion tatsächlich gut.
Stimme ich dir zu, wobei dieses Verständnis wohl nur den neutralen und nicht den betroffenen Menschen vorbehalten bleibt. Wenn es um meinen Junior ginge, würde ich als ersten Impuls auch lieber zur Schrotflinte als zum Verständnis greifen befürchte ich (nicht, dass ich das jemals tun werde^^). Und das ist das heikle an diesem Thema, denn die Angst davor, dass es mal um das eigene Kind gehen könnte, macht eine neutrale Betrachtung bzw. Umgangsweise wie du sie vorschlägst so schwierig, denn die Elternliebe bzw. der Beschützerinstinkt spielt sich „unter“ der rationalen Ebene ab. Der „Eiertanz“ der Gerechtigkeit in Missbrauchsfällen, wo man versuchen muss, die Würde sowohl des Opfers als eben auch des Täters zu wahren, ist extrem herausfordernd. Denn das Dilemma ist ja, dass man – egal durch welch harte Strafe auch immer – den Zustand vor der Missbrauchstat nicht mehr herstellen, dem Opfer durch die Bestrafung des Täters ja nicht wirklich helfen kann. Und dass „die Gesellschaft“ (wer auch immer das ist^^) gerne Hetzjagd auf eine bestimmte Zielgruppe macht ist ja auch ein längst bekanntes Phänomen der Soziologie. Von demher ist es glaub ich von entscheidender Bedeutung, dass immer neutrale Personen beide Parteien durch diesen „Eiertanz“ führen. Und diese Personen müssen tatsächlich diese von dir beschriebene Fähigkeit haben.
Klar ist das bei den Betroffenen, also Opfern und deren Angehörigen, anders. Aber wenn man den Tätern die Möglichkeit der Veränderung offen halten will (und vielleicht sogar tatsächlich so etwas wie Versöhnung erreichen), dann müssen die nicht unmittelbar Betroffenen (vor allem die, die darüber berichten) der Versuchung widerstehen, die allgemeine Abscheu auch noch zu schüren.
Du hast schon recht, keine Frage und ich selbst werbe ja auch für Verständnis und für Versöhnung, aber schon im Freundeskreis tut man sich dabei schwer, denn die meisten wollen nicht wahrhaben, dass hinter derart destruktiven Taten ein Mensch mit einer Geschichte und Würde steht^^. Immerhin wird in Deutschland dieses Problem nicht mehr (wie sehr oft gefordert!!) durch die Todesstrafe gelöst und somit der Weg zumindest theoretisch für Vergebung und Versöhnung möglich wird. Dass die Medien sich tendenziell eher zur Hetze hinreissen lassen, ist wohl auch ein marktwirtschaftliches Problem – schreiben, was die Leute lesen wollen 😉 – obwohl, wenn man die berühmte Tageszeitung mit dem „B“ liest, da stehen schon immer sehr hintergründige und bedenkenswerte Artikel drin 😉
beeindruckend finde ich den brief, den vor einigen monaten die eltern des ermordeten mirco geschrieben haben. in solch einer situation worte zu finden, die auch dem täter die vergebung nicht verweigern, finde ich unglaublich beeindruckend.
http://www.rp-online.de/niederrhein-sued/kempen/nachrichten/mirco-der-brief-der-eltern-1.1191917
Den hatte ich auch gelesen. Respekt!