Das geteilte Haus

Hebron, heute eine Großstadt im Westjordanland. Hier liegen in der Höhle Machpela Abraham und Sara, Isaak und Rebekka begraben. Über der Höhle am Rande der Altstadt befindet sich ein Gebäudekomplex, der aus einer Moschee und einer Synagoge besteht. Die Abraham-Moschee ist eine ehemalige byzantinische Kirche, die Synagoge war schon immer Synagoge. Die Fundamente beider Gebäude ruhen auf einer Schicht, die noch von Herodes dem Großen stammt.

In der Moschee ist gerade noch das Mittagsgebet, also gehe ich zuerst in die Synagoge. Ich passiere zwei Kontrollposten des Militärs und werde auf der Treppe erneut von einem Schwerbewaffneten angesprochen: Where you from? Germany. What do you want? I am a tourist and I want to see the tomb of Abraham. You Muslim? No. You can go in.

Drinnen sitzen in einem Vorraum überwiegend Frauen in einer Tischrunde. Sie winken mit fröhlich zu und eine bringt mir einen Teller mit süßem Gebäck. Ich bedanke mich und nehme einen Happen. Weiter im inneren sitzen hinter einer spanischen Wand Männer und studieren Bücher. Dann erreiche ich den Innenhof. Ein dem Aussehen nach charedischer Jude begrüßt mich und fragt, woher ich komme. Er spricht gebrochen Englisch, aber ich spüre kein Ressentiment, als er hört, dass ich Deutscher bin.

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SynagogeHebron.jpgDann erklärt er mir, dass auf der anderen Seite die Muslime seien und Juden nicht in die Moschee dürfen. Dass der Ausschluss umgekehrt auch gilt, hatte ich ja schon erlebt. Als ich vorsichtig andeute, dass ein Frieden zwischen den Lagern doch im Sinne aller wäre, winkt er ab. Ihr Christen und wir Juden sind friedlich, gibt er mir zu verstehen, aber die Muslime wollen uns alle töten. Ich widerspreche vorsichtig – die Muslime, dich ich bisher getroffen habe, sind friedliche Menschen, die auch viel erduldet haben. Dann wird es schwierig, seiner Antwort sprachlich zu folgen, denn er setzt zu einem Redeschwall an. So viel habe ich dann doch verstanden: Wenn die Palästinenser aus dem Gazastreifen eine Rakete auf uns schießen, dann schießen wir zehn oder hundert zurück. Und dann ist es uns egal, ob und wie viele Frauen und Kinder dort sterben.

Ich frage, ob er sich vorstellen kann, dass es eines Tages Frieden gibt. Ja, sagt er, wenn der Messias kommt.

 

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Ich setze meinen Rundgang fort. Die Grabmale der Patriarchen kann man durch ein offenes Fenster sehen, sie sind mit Tüchern bedeckt. Von der angrenzenden Moschee aus gibt es auch jeweils ein Fenster. Sie sind aber so angelegt, dass man nicht hinübersehen kann. Und vor allem nicht schießen. Das nämlich tat Baruch Goldstein, der 1994 in die voll besetzte Moschee stürmte, 29 Menschen tötete (darunter auch den Imam) und 125 weitere verletzte. Die Muslime zeigen mir ein paar Augenblicke später die notdürftig verspachtelten Einschusslöcher in der Wand ihres Gotteshauses. Sie zeigen mir auch, wo man in die Höhle hinuntersehen kann, und den uralten Gebetsstuhl aus einem einzigen Holzstock, der ein Geschenk Saladins war.

In Hebron schützt die israelische Armee heute mit massiver Präsenz nicht nur die (überwiegend radikalen und militanten) jüdischen Siedler vor den arabischen Nachbarn, sondern inzwischen nolens volens auch die palästinensischen Kinder auf ihrem Schulweg entlang der jüdischen Siedlungen. Mitten in der arabischen Altstadt haben Siedler ein Haus über den Marktgassen besetzt und aufgestockt, auch dort schiebt das Militär nun Wache; und die Händler schützen sich mit Maschendraht über ihren Köpfen gegen den Unrat, der von oben herabgeworfen wird.

Die Organisation Breaking the Silence – ehemalige Soldaten der IDF, die sich kritisch mit ihrer Besatzerrolle auseinandersetzen – bietet Führungen durch Hebron (mit Transfer ab Tel Aviv) an, um die Übergriffe der Siedler zu zeigen: Steinwürfe, faule Eier, Beschimpfungen übelster Art. Yehuda Shaul von Breaking the Silence hat die Zustände hier vor ein paar Jahren schon als Apartheid bezeichnet. Diese eindrückliche Bildstrecke von Christian Peacemakers International zeigt die gegenwärtige Lage sehr anschaulich. Freilich gab es früher, deutlich früher, auch Gewalt von Muslimen gegen Juden, aber seit mehr als 30 Jahren scheint die handfeste Aggression in Hebron doch eher nur in eine Richtung zu verlaufen.

Auf dem Rückweg nach Jerusalem frage ich mich, ob sich Abraham und Sara, die ihr Leben als Fremdlinge führten und kein Land besaßen, im Grab umdrehen würden, wenn sie wüssten, was sich über ihren Gräbern abspielt; und was der Messias wohl sagen und tun wird, wenn er kommt.

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