Um Missverständnissen dessen, was ich gleich schreibe, wenigstens halbwegs vorzubeugen: Ich habe in den letzten Jahren viel von anderen gelernt, viele gute Impulse und Ideen bekommen, viele gute Fragen, die mich zum Denken brachten und immer wieder guten Rat. Ich schätze das und bin dankbar dafür. Ohne das alles wäre ich heute nicht der, der ich bin.
Die Frage, die ich stelle, liegt auf einer etwas anderen Ebene, sie hat aber auch mit dem zu tun, der ich bin: Wenn ich zurückdenke über die letzten drei, fünf oder zehn Jahre, fallen mir dann mehr Situationen ein, in denen ich es bedauert habe, nicht auf eine der Stimmen von außen gehört zu haben, oder überwiegen die Momente, in denen ich nach heutigem Stand meiner Einschätzung besser auf die innere Stimme hätte hören sollen?
Ist das vielleicht eine Typfrage (der Unabhängige muss lernen auf andere zu hören, der Schüchterne sich selbst) oder eine Lernaufgabe, die man im Lauf seines Lebens zu bewältigen hat (vom Außen- zum Innengesteuerten)? Und vor allem: wie verhalte ich mich im Konfliktfall?
Die Quäker haben ein schönes Ritual gefunden, das beides zusammenbringt: Die tiefe Achtung vor dem „Inneren Licht“ in jedem einzelnen und die Einsicht, dass in unterschiedlichen Perspektiven große Weisheit steckt. Parker Palmer erzählt von einem Clearness Committee, das drei Stunden zusammensitzt und jemandem in einer Entscheidungssituation hilft, seine innere Wahrheit zu finden. Die Runde darf dabei nur Fragen stellen, die Betroffenen antworten darauf und es werden neue Fragen gestellt, aber es werden keine Ratschläge und Empfehlungen erteilt. So helfen die äußeren Stimmen unter den vielen inneren Stimmen die Wahrheit zu entdecken.
Safe Space from Center for Courage & Renewal on Vimeo.
Danke für die Gedanken!
Wir sind, was wir sind, und werden, was wir werden, nur in Beziehungen. Ich halte einen eigenverantwortlichen Umgang mit der innerperspektivischen Wahrnehmung und(!) die Integration ausserperspektivischen Rückmeldungen, sowohl zur Bestätigung, als auch zur komplementären Ergänzung für eine Bedingung anschlussfähige, lebendige und transformierende Kommunikation mit Gott, mit sich Selbst und mit dem Nächsten zu erfahren. Ein „Stocken“ dieses fließenden Kommuniktions-Prozesses deute ich als Entfremdung des „Ich“ von Gott, vom Nächsten und von sich Selbst.
Fragen haben vielleicht noch mehr Machtpotenzial (und damit Missbrauchspotenzial) wie Antworten, Zuschreibungen und Setzungen. Weshalb in der Strategie des „Fragens“, eine größere Differenzierung, Sensitivität, personale Präsenz und Mitgefühls erforderlich sind, als bei Antworten, wenn sie für den „Hörenden“ zielführend sein sollen.
Die innere Haltung zum Anderen gerade im Konflikt entscheidet über das Ergebnis. (z.B. wirken Suggestivfragen anders als ergebnisoffene Fragen, oder paradoxe Fragen). Hinzu kommt, dass nicht jede gesendete Frage vom Empfänger „verlustfrei“ eins zu eins im Sinne des Senders wahrgenommen und verstanden wird.
Über die Kunst des Fragens im Konflikt mit vielen Negativ- aber auch Positivbeispielen gibt es ein ganzes Bibelbuch: Hiob. Gottes Fragen heilen. Wie frage ich? Welche Fragen wie gefragt lindern Leid? Welche fördern Vergebung und Versöhnung? Welche helfen Beziehungen zu heilen?