Ich habe die Klage von Os Guinness aus Kapstadt (und mein spontanes Befremden darüber) noch gut in Erinnerung: Der Niedergang der Kirchen in Europa sei dem „Liberalismus“ anzukreiden. Theologisch konservative Kirchen dagegen, so hörte man lange Zeit und oft, wiesen überlegenes Wachstum auf.
Nicht mehr, wenn man Diana Butler-Bass‘ Beitrag im Huffpost glauben kann. Dort stellt sie fest, dass die Kirchen in Nordamerika dramatisch schrumpfen und dass der Trend bei konservativen Denominationen wie den Southern Baptists zwar später (so sind Konservative nur einmal…) kam, aber eben doch. Innerhalb einer Generation hat sich der Gottesdienstbesuch in den USA halbiert.
Aber vielleicht hilft die gemeinsame Misere ja, abseits alter Lagerkämpfe neue Wege zu beschreiten. Einzelne Gemeinden, die gegen den Trend wachsen, gibt es eben auch überall. In den Umfragen dreht sich viele um die Begriffe religiös und spirituell. Zwischen 1999 und 2009 fiel die Zahl derer, die sich als „religiös, aber nicht spirituell“ bezeichneten, von 54 auf 9% der Bevölkerung. 30 Prozent bezeichnen sich heute als „spirituell, aber nicht religiös, 48% dagegen als spirituell und religiös“. Darunter lässt sich die Suche nach einer authentischen Glaubensgemeinschaft ohne das Korsett herkömmlicher Institution verstehen.
Ob daraus dann umgehend wieder ein neues geistliches Erwachen resultiert, wie Butler-Bass hofft, das bleibt abzuwarten. Freilich nicht untätig, sondern es ist Zeit zum engagierten Experiment in Sachen postinstitutionelle Gemeindeformen. Meinetwegen gern so postevangelikal wie postliberal.
Nachtrag: Eben lese ich in diesem Bericht aus der Zeit zur Situation der katholischen Kirche aktuelle Zahlen für Deutschland:
Besuchten 1990 noch 21,9 Prozent regelmäßig den Gottesdienst, waren es im Jahr 2010 nur noch 12,6 Prozent.