Weihnachten rückt in Sichtweite, der Kaiser Augustus hat wieder seinen liturgischen Auftritt und passend dazu habe ich heute eine interessante Sache entdeckt. Rodney Stark berichtet in The Rise of Christianity davon, dass dem Kaiser die niedrige Geburtenrate zu schaffen machte, Wegen der hohen Kindersterblichkeit und der relativ geringen Lebenserwartung (im Schnitt 30 Jahre, wenigstens bei Stadtbewohnern) schrumpfte die Schar seiner Untertanen stetig. Ehe und Familie standen bei den männlichen Römern nicht hoch im Kurs (nichts Neues also…), viele Kinder, vor allem Mädchen und sichtbar behinderte Buben, wurden zudem als Säuglinge ausgesetzt. Stark schreibt:
Im Jahr 59 v. Chr. erließ Cäsar ein Gesetz, das Väter von drei oder mehr Kindern mit Land belohnte, obwohl er Ciceros Rat nicht folgte, Ehelosigkeit unter Strafe zu stellen. Dreißig Jahre später, und erneut im Jahr 9, veröffentlichte der Kaiser Augustus ein Gesetz, das Männern, die drei oder mehr Kinder hatten, den politischen Vorzug gab und politische und finanzielle Sanktionen gegen kinderlose Paare, unverheiratete Frauen über 20 und unverheiratete Männer über 25.
Nur dass ich nicht missverstanden werde: Ich schlage nicht vor, dass wir es mit staatlichen Zwängen und Anreizen ähnlich halten. Mir geht es nur darum, dass unsere heutigen demographischen Probleme offenbar nicht neu sind und die staatlichen Maßnahmen offenbar auch nicht. Spätere Kaiser griffen zu ähnlichen Mitteln, Trajan subventionierte Kinder schließlich direkt. Ohne Erfolg – der Schwund gegen Ende der Republik und bis weit ins zweite Jahrhundert ließ sich nicht aufhalten.
Upps .dieser Artikel enthält leider historische Ungenauigkeiten: 1. Augustus war im jahre 59v. CHr. erst vier Jahre, es war also Caesar, der in seinem Konsulatsjahr dieses Gesetz erließ.2. Augustus suchte nicht nach Auswegen wegen der ausgeetzten kinder, das war damals leider kein Thema. Es ging auch um Steuern. 3. das mit der gringeren Lebenserwartung ist so nicht richtig, man errechnet ja Durchschnittswerte, und die sind von der hohen kindersterblichkeit bestimmt. Es war kein Problem 40, 50 oder auch 60 Jahre zu werden.4. Die Bevölkerungszahlen müsste man mal genauer analysieren. 5. Nerva (Trajans Vorgänger, der das sytem ins Leben gerufen hat) und Trajan subvenbtionierten nur Zahlungen für Waise und mittelose Kinder, nicht aber Kinder allgemein.
@Retep: Wenn Du das Stark-Zitat nochmal genau liest, dann steht da ja auch, dass Cäsar 59 v.Chr. das Gesetz erlassen hat und es steht auch nicht da, dass es Augustus um die armen Kinder gegangen wäre, die Praxis führte eben nur zu der unerwünschten Konsequenz, dass zu wenige Soldaten und Steuerzahler da waren.
Richtig ist, dass Trajan sich offenbar Nervas Initiative selbst zuschreiben ließ. Und freilich verschlechtert Kindersterblichkeit die durchschnittliche Lebenserwartung, aber zumindest in den Städten war das Leben nicht sehr gesund. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind ein Elternteil verloren hatte, bis es volljährig wurde, war offenbar relativ hoch.
danke für die Anwort. Mal sehen was der Historiker dazu sagen wird
Stark ist ja Soziologe, er verarbeitet, was die Kollegen veröffentlicht haben. Der Fehler mir Trajan und Nerva scheint in einer seiner Quellen zu liegen.
Nur noch eine kleine Anmerkung.
Das Dreikindrecht (auch Dreikinderrecht, lateinisch ius trium liberorum) war im römischen Kaiserreich eine Auszeichnung, die vom Kaiser verliehen werden konnte.
Damit wurden Bürger Roms ausgezeichnet, wenn sie mindestens drei Kinder hatten und/oder sich in irgendeiner besonderen Weise um den Ruhm Roms verdient gemacht haben. Ehegesetze des Augustus ab 19 v. Chr. (Lex Iulia de maritandis ordinibus/Lex Papia Poppaea) sollten Freie und Freigelassene gegen die wachsende Zahl von Sklaven stabilisieren. Außerdem brauchte man Legionäre.
Das Dreikindrecht beinhaltete besondere Privilegien, beispielsweise den freien Eintritt in Theateraufführungen, schnelleren Aufstieg in Ämtern. Aus den Müttern machte dieses Recht geschäftsfähige Personen. Freigelassene mussten in Italien vier, in den Provinzen fünf Kinder haben, um das Dreikindrecht zu erhalten.
Dieser Absicht entsprach allerdings nicht die Verleihung des Dreikindrechts als Auszeichnung, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorlagen. So bedankte sich Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. Plinius der Jüngere, der trotz dreier Ehen keine Kinder hatte, für die Verleihung des Dreikindrechts bei Kaiser Trajan:
„Exprimere, domine, verbis non possum, quantum mihi gaudium attuleris, quod me dignum putasti iure trium liberorum.[1]“
„Mir fehlen die Worte, Herr, um auszudrücken, welche Freude Du mir gemacht hast, dass Du mich des Dreikinderrechts für würdig befunden hast.““
http://books.google.de/books?id=CjY5AAAAIAAJ&pg=PA291&lpg=PA291&dq=cassius+dio+nerva+alimenta&source=bl&ots=9ORixPhkYI&sig=MbJzwYhQUqmvxUzjyLI8E_uH8sA&hl=de&ei=6JnHTpPbMszBtAaszpyoBw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=4&ved=0CD4Q6AEwAw#v=onepage&q=cassius%20dio%20nerva%20alimenta&f=false
The economy of the Roman Empire
books.google.de
sollte natürlich unter Retep gepostet werden
Keine Detailfrage, sondern eine grundsätzliche Anfrage an Rodney Stark:
Welches forschungsleitende Gesamtinteresse motiviert seine Analysen und Argumentationen? In „The victory of reason. How Christianity led to freedom, capitalism an western success“ S. 235 (kann man bei amazon einsehen) werden für mich nicht nur im Titel Töne einer Theologia Gloriae hörbar, eine gewisse Nähe oder Tendenz hin zu einem „Wealth-and-Health-Evangelium“. So interessant die Einzelbeobachtungen und Analysen zunächst auch sein mögen: sollte das zutreffen, kommt man mit Stark (oder zumindest auf seiner Denklinie) irgendwann an der Haustür von Georg W. Bush an.
@Werner: Da würde ich nur sehr ungern landen. In diesem Buch jedenfalls beschäftigt ihn die Frage, was soziologische Methoden und Erkenntnisse zum besseren Verständnis des Wachstums der alten Kirchen beitragen können, wie es z.B. Harnack klassisch beschrieben hat, dessen Darstellung er oft bestätigt, sie aber auch um manche Aspekte ergänzt. Hier am ehesten die Frage, welche Faktoren das Christentum in der antiken Welt so attraktiv gemacht haben, dass es zur größten Glaubensgemeinschaft wurde. Triumphalismus ist mir bisher nicht begegnet, den dämpft er sogar deutlich, wo es in anderen Darstellungen stark um Zeichen und Wunder und spektakuläre Massenbekehrungen geht. Dass er manchmal in der Begrifflichkeit eines Marktes redet, macht es manchen (mir auch) zwischendurch schwer, doch er geht auch auf Bedenken im Blick auf diesen methodischen Reduktionismus ganz gut ein, fand ich bisher.