Transzendente Pandemie?

Im Kulturteil der Süddeutschen Zeitung beschwert sich Sonja Zekri darüber, dass man als “Gottloser” in der Minderheit sei und angesichts der neu in Mode geratenen Religiosität unter Anpassungsdruck gerate. Die bedrohliche Kulisse rührt natürlich auch daher, dass sie alles Religiöse undifferenziert in einen Topf wirft. So entsteht eine Front aus Esoterikern, Fundamentalisten und Traditionskirchen, dem ein Häuflein aufrechter und aufgeklärter Selberdenker gegenüber steht.

Spätestens seit der Massenverzückung beim letzten Papstwechsel fühlt man sich deshalb als Atheist wie auf einer Eisscholle im Golfstrom.

Allerdings verfällt sie, bei aller berechtigten Kritik an neokonservativer Instrumentalisierung von Religion und esoterischem Rückzug aus einer komplexen Welt, mit ihrem Aufschrei in dieselbe quasi-apokalyptische Rhetorik wie die “Gegner” (so muss man es wohl doch nennen):

Der Kampf der Kulturen wogt längst nicht mehr zwischen Islam und Christenheit, sondern zwischen Frommen und Ungläubigen. Die Fundamentalisten beider Seiten verstehen sich nämlich blind.

Also doch eine Art “Reich des Bösen” und eine unheilige Allianz der Eiferer? Das Argument, die Religion habe die Welt nicht besser gemacht, ist nicht neu und trifft Aufklärung und Naturwissenschaft genauso.

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Ernüchternd ist dennoch das Panoptikum an religiösen Borniertheiten, das sie ja nicht erfunden hat. Vermutlich wird man doch genauer hinsehen müssen, gerade wenn man Glaubensrichtungen am eigenen Anspruch messen will. Auch christliche Minderheiten (egal, wer das nun ist) haben ihre liebe Not mit den Repräsentanten der machtbewussten Mehrheit (Freikirchen in evangelisch dominierten und Protestanten in katholischen “Territorien”, Protestanten und Katholiken unter orthodoxen Staatskirchen…). Freilich hat die Exzesse der bewusst atheistischen Systeme noch niemand übertroffen.

Für Christen, die Jesus und seine Sendung ernst nehmen, muss es eine dauernde Anfechtung bleiben, wie viel Unrecht existiert und wie wenig wir dagegen unternehmen oder ausrichten. Ob “wir” nun die Mehrheit sind oder nicht. Von den Früchten her betrachtet statt von bloßen Lippenbekenntnissen (ob “richtig” oder nicht) ist es zu einer solchen Mehrheit noch ein weiter Weg. Also kein Grund, auf diesen Artikel mit allzu großer Genugtuung zu reagieren.

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