Beim weiteren Nachdenken über die Gutmensch-Problematik fiel mir auf, dass sich die populäre Vorstellung, das ewige Leben sei eine Belohnung für anständiges Verhalten in diesem Leben, neben der klassisch vulgär-katholischen Leistungsfrömmigkeit vor allem auf Kant zurückgeht. Nicht, dass den alle gelesen oder gar verstanden hätten, aber er hat sicher eine Menge dazu beigetragen, dass in der Religiosität der Aufklärungskultur dieser moralisierende Zug so populär ist.
Gott und der Himmel sind für Kant Postulate der praktischen Vernunft. Er glaubt also an “die” Vernunft und muss zur Absicherung Gott als Garanten ins Spiel bringen, da man sonst nicht sicher sagen kann, ob die Vernunft nicht völlig schief gewickelt ist. Ebenso muss man an einen Himmel (d.h. ein Jenseits, nach dem Tod) und an die Unsterblichkeit glauben, weil ja ganz offensichtlich innerweltlich keine Gerechtigkeit herrscht.
Ohne diese Annahmen hätte – das weiß Kant natürlich – der Hedonismus, den Paulus in 1Kor 15,32 karikiert, freie Bahn. Nur ist die Auferweckung, von der Paulus redet, etwas völlig anderes als die bei Kant postulierte Unsterblichkeit. Sie setzt Sterblichkeit ja gerade voraus, und hebt sie nicht etwa auf.
Mit der Bibel hat das alles also gar nichts zu tun. Kant mag das anders gesehen haben. Jüngere Leute haben dieses Denken aber in der Regel schon hinter sich gelassen. Gott als Richter und moralische Instanz tritt in den Hintergrund. Die Frage ist eher die, ob er angesichts des vielfältigen Grauens überhaupt in unserem Sinne moralisch und gut ist und wenn ja, wie man das erleben kann. Der “Volksglaube” der alten Schule ist so gut wie tot.