Öfter mal tanzen

Meine Joggingrunde neigt sich dem Ende zu, eine große Straße muss ich noch überqueren. Endlich ist frei, ich laufe los. Von der anderen Seite kommt mir eine Frau entgegen. Ich denke zuerst, sie will links an mir vorbei, aber dann sehe ich, es ist wohl eher rechts. Ich ziehe also nach links. Aber da hat sie auch schon gemerkt, dass ich das anders eingeschätzt hatte, und ändert ihrerseits die Richtung. 

Inzwischen stehen wir uns fast gegenüber, als würden wir da in der Straßenmitte einen kleinen Tanz aufführen. Nochmal ein kleiner Sidestep, und wir schaffen es unfallfrei aneinander vorbei. Wir lachen beide und sie sagt „Entschuldigung“. Aber ich denke mir: Wofür? Es hat doch wunderbar geklappt. Und die spontane Tanzeinlage war super elegant. 

Es wäre doch toll, wenn das auch in anderen Zusammenhängen funktionieren würde. Statt die eigene Position stur zu behaupten, einfach mal leichtfüßig federnd den Standort wechseln. Dazu gern noch lächeln, und im Zweifelsfall auch mal „Entschuldigung“ sagen. Und dann schauen, was geht.

(Foto von Andre Hunter auf Unsplash)

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Söder und die Zecken

Es kommt nicht oft vor, dass Nachrichten so passgenau zusammentreffen. Neulich erfahre ich: Das Europaparlament hat mit den Stimmen der Unionsparteien beschlossen, dass vegetarische Produkte nicht mehr „Wurst“, „Burger“ oder „Schnitzel“ heißen dürfen. Wäre ja tragisch, wenn jemand nichtsahnend gesundes Gemüse futtert.

Am nächsten Morgen beim Frühstück fällt mein Auge auf auf die Schlagzeile, dass Zeckenbisse jetzt auch Allergien gegen Fleisch und Milchprodukte verursachen können. Ich reibe mir die Augen: Beantwortet die ausgebeutete Natur den Schachzug der Fleischlobby mit einer neuen Strategie? 

Amüsiert stelle ich mir vor, wie Markus Söder in den Wald geht und als Vegetarier wieder rauskommt. Werden Schweinemäster und Wurstfabrikanten demnächst Warnschilder in Wald und Flur sponsern oder teure Impfstoffe entwickeln lassen? 

Man könnte glatt auf die Idee kommen, dass da gerade eine höhere Intelligenz Regie führt. Ja, ich weiß, sehr speckulativ, aber hey…

(Foto von Victor G auf Unsplash)

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Der Fluchtrucksack

Ich brauche einen neuen Rucksack. Also – erst mal die Tests in Outdoor-Magazinen lesen. Dabei stolpere ich über eine seltsame Überschrift: „Was gehört in einen Fluchtrucksack?“. 

Ich will ja nur Wandern, nicht flüchten. Trotzdem, meine Neugier ist geweckt: Wozu soll das gut sein? Es gehe darum, heißt es da, auf das Unvorhersehbare vorbereitet zu sein. Und für den Fall, dass ich meine Wohnung Knall auf Fall verlassen muss, brauche ich Nahrung, Wasserfilter, Kleidung, Licht, Verbandszeug – solche Sachen.

Naja, denke ich mir. Unwahrscheinlich, dass ich das in absehbarer Zeit brauche. Jahaa, sagt eine Stimme in meinem Hinterkopf, das haben schon viele gedacht. Das ist ja das Problem mit dem Unvorhersehbaren: Man sieht es nicht kommen. 

Vielleicht sollte ich tatsächlich einen Fluchtrucksack packen, denke ich mir. Als dauerhafte Erinnerung daran, dass der Unterschied zwischen mir und den vielen Menschen, die irgendwo aus dem Rucksack oder Koffer leben, nur etwas Unvorhersehbares ist.

Ein paar Tage später stehe ich in der Outdoor-Abteilung eines großen Sportgeschäfts. Neben mir unterhalten sich eine Verkäuferin und eine Kundin: Wie groß soll der Rucksack denn sein, fragt die Verkäuferin. Die Kundin weiß es nicht genau. Und dann sagt sie, zu meiner größten Überraschung, dass sie einen Notrucksack packen möchte. Damit er griffbereit ist, wenn etwas passieren sollte.

Was genau das ist, das sagt sie nicht. Aber sie empfindet offenbar ein latentes Unbehagen. Die Verkäuferin sagt nachdenklich, sie hätte noch keinen Fluchtrucksack. Aber ich frage mich, ob nicht viel mehr Menschen im Stillen dieses Unbehagen auch spüren.

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