Zufall oder Zukunft?

Ein befreundeter Pfarrer sagte mir gestern, er sei von einem Kollegen gefragt worden, warum es in der Landeskirche (bzw. den Landeskirchen) eigentlich nicht mehr Initiativen wie ELIA gibt. Im Hintergrund steht natürlich die Frage, ob wir ein merkwürdiger Zufall sind oder ob etwas Zukunftsweisendes dran sein könnte.

Future by Max Fridman, on Flickr
Creative Commons Creative Commons Attribution-No Derivative Works 2.0 Generic License   by  Max Fridman 

Nach über 20 Jahren Gemeindeaufbau und vielen Gesprächen mit den unterschiedlichen Leitungsebenen und -gremien kann ich das ziemlich klar beantworten. Ich denke, es gibt immer wieder Leute, die bereit sind aufzubrechen und Neues zu wagen. Dieses Neue hat keineswegs immer selbstbezogenen oder sektiererischen Charakter (obwohl es das freilich auch gibt).

Abgesehen von wenigen Glücksfällen, die mit ganz bestimmten persönlichen Konstellationen zusammenhängen, ist die Mehrheit dieser Initiativen in den Landeskirchen entweder eingegangen oder irgendwann ausgewandert.

Der Grund dafür ist, dass einem das System auf tausend unterschiedliche Arten kommuniziert, dass solche Dinge nicht vorgesehen sind und daher den Betrieb gefühlt eher stören als bereichern:

  • Das Kirchenrecht hat keine passende Kategorie für nichtparochiale Gemeindeformen anzubieten, es gibt nur wackelige Hilfskonstruktionen.
  • Dazu gesellt sich eine unterentwickelte Kultur des Experimentierens, die Kräfte und Mittel werden fast ausschließlich zur Erhaltung und Reproduktion des Vorhandenen eingesetzt.
  • Querdenker und Pioniertypen werden strukturell eher eingebremst als ermutigt, ihre „Pfunde“ einzusetzen.
  • Es fehlen geeignete und von allen Seiten akzeptierte Kriterien für Scheitern und Gelingen neuer Unternehmungen und ein Katalog geeigneter und angemessener Fördermaßnahmen.

Es ist schon absurd: Jeder weiß, dass sich unsere Gesellschaft immer weiter differenziert. Dass diese Differenzierung auch das Verhältnis evangelischer Christen zu ihrer Kirche betrifft, ist ebenfalls eine Binsenweisheit. An differenzierten Formaten im kirchlichen Angebot wird gearbeitet. Aber wenn es um Amt und noch mehr wenn es um Gemeinde geht, dann ist Differenzierung plötzlich ein Unwort. Wieso eigentlich?

Auch im Blick auf die Form und Gestalt von Gemeinde gilt gemeinhin: Wenn man tut, was man immer schon getan hat, wird man auch die Ergebnisse bekommen, die man immer schon bekommen hat – qualitativ. Quantitativ freilich mit meist rückläufiger Tendenz. Der Verdacht liegt nahe, dass viele auch genau das wollen, was sie schon immer hatten, einfach weil es so schön vertraut ist.

PS: Mein Gesprächspartner gestern nannte das „morphologischen Fundamentalismus“. Solche bissigen Termini liegen mir natürlich völlig fern, daher zitiere ich das hier auch nur anonym.

Share