Kompromisslos hoffen

dsc02096.jpgAm Ende seines kleinen Diskurses über die Hölle schreibt Hans Urs von Balthasar, man müsse die biblischen Gerichts- und Unheilsworte insofern ernst nehmen, als man darin die große Verantwortung erkennt, die menschliche Freiheit mit sich bringt – die Möglichkeit, sich dauerhaft gegen Gott und das Gute zu immunisieren. Schwierig wird es immer dann, wenn man dem Erschrecken über sich selbst ausweicht und über das Schicksal anderer theoretisiert und spekuliert – für die anderen müssen wir kompromisslos hoffen:

Wer mit der Möglichkeit auch nur eines ewig Verlorenen außer seines selbst rechnet, der kann kaum vorbehaltlos lieben… Schon der leiseste Hintergedanke an eine endgültige Hölle für andere verführt in Augenblicken, wo das menschliche Miteinander besonders schwierig wird, dazu, den anderen sich selbst zu überlassen. Man müsste sich aber [es folgt ein Zitat von Hansjürgen Verweyen] »wirklich vorbehaltlos entscheiden, jeden Menschen in seinem ganzen Wert anzuerkennen und in dieser Bejahung der anderen die eigene endgültige Freude zu suchen. Sieht man die Dinge so, dann bedeutet ein ‚Himmel für alle‘ nicht etwa den Anreiz zur Faulheit im ethischen Engagement, sondern die schwerste Anforderung an alle, die man sich denken kann: den Entscheid für eine Geduld, die grundsätzlich niemand aufgibt, sondern unendlich lange auf den anderen zu warten bereit ist… wenn ich aufgrund der universalen Güte Gottes keinen auf ewig abschreiben darf, dann könnte mein ewiges Unglück gerade darin bestehen, dass ich selbst einfach nicht die Geduld aufbringe, auf die ‚Bekehrung des anderen‘ unendlich lange zu warten.« Und nicht irgendwann dem lieben Gott zu sagen: „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ Kann ein Christ dieses Mörderwort in den Mund nehmen? Und welcher Mensch ist nicht mein Bruder?

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