Christliche Prophetie ist immer ein spannendes und strittiges Thema gewesen. Diese Woche fand ich eine besonders nette Begebenheit in Barbara Bradley Hagertys Fingerprints of God. Die Journalistin Hagerty beschreibt, wie sie zu einem Treffen mit Nancy, einer modernen christlichen Prophetin, eingeladen wurde. Die hielt zunächst einen längeren Vortrag, bei dem bezeichnenderweise immer wieder das Thema Geld auftauchte. Dann forderte sie alle Anwesenden auf, für einander auf Gott zu hören – in einem so selbstverständlichen Ton, als ginge es darum, einander Kaffee nachzuschenken.
Nancy begann selbst, ausgerechnet mit Hagerty, und begann von einem reichen Mann orientalischer Herkunft, einem Privatflugzeug und vielen Kleinkindern in Afrika zu sprechen. Danach kamen alle anderen aus der Runde dran und zum Schluss sollte Hagerty ihre Nachbarin Sheila über Gottes Willen ins Bild setzen. Die peinliche Stille zog sich in die Länge, die Leere im Kopf wurde größer unter dem Druck, etwas Bedeutsames zu produzieren. Hagerty sagte das erstbeste, was Ihr einfiel: Sie sehe Wasser, ein Schwimmbecken, und einen Sprungturm. Sheila stehe oben und sie solle keine Angst vor dem Sprung haben. Aufatmen – sie hatte die Erwartungen erfüllt.
Sechs Jahre später stieg Hagerty in ein Washingtoner Hotel ab und lief dort einer Frau in die Arme, die sich als Sheila zu erkennen gab. Sheila sprach sie auf ihre „Prophetie“ von damals an und erzählte, sie habe gleich am folgenden Tag ihren Job gekündigt. Hagertys unwillkürliche Sorge, für eine getürkte Prophetie zur Rechenschaft gezogen zu werden, war zum Glück grundlos: Sheila war in ihrem neuen Beruf erfolgreich und mit ihrem Leben zufrieden…