„Mir ist langweilig!“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz aus einem Kindermund im Laufe der Jahre gehört habe. Die meisten Unterrichtsfächer in der Schule wurden als „langweilig“ eingestuft; mag sein, dass der eine oder andere Pädagoge auch seinen Teil dazu beitrug, vor allem aber konnte das System Schule eben kaum anstinken gegen Youtube, Xbox und iPod und die Fixierung auf deren Inhalte. Selbst Joggen im Wald ohne Berieselung auf den Ohren galt schon wieder als „langweilig“: Am besten ein Klamauk- oder Actionvideo gucken und nebenher noch chatten mit den Freunden.
Das Urteil „langweilig!“ erklingt meist im Ton der Majestätsbeleidigung. Als gebe es ein Grundrecht auf Dauerbespaßung durch die Mediengesellschaft, das einem in diesen Augenblicken boshaft verwehrt wird. Und das ist es, was mich unruhig macht: Wie lässt sich früh genug vermitteln, dass Langeweile zum Leben dazugehört? Dass jede Arbeit langweilige Anteile hat, dass es auch in der besten Beziehung nicht in einer Tour „funkt“, dass geistliches Leben immer auch Wüstenzeiten und Durststrecken enthält und dass jede persönliche Entwicklung scheitert, wenn man in solchen Momenten aussteigt und nach einem neuen Reiz sucht?
Anders gefragt: Ist es nicht ein Schlüsselthema für jegliche Art von Bildung, Menschen an Langweile zu gewöhnen? Es hat viel mit der Fähigkeit zu tun, sich selbst zu beruhigen und zu motivieren. Und sich zu interessieren, Anteil zu nehmen, Fremdheit zuzulassen! Wenn Langeweile keine Fluchtreflexe mehr auslöst, kann sie den gewohnheitsmäßigen Konsumenten zur Kreativität verleiten, zum Blick in die Tiefe ermuntern und den eingeschränkten Horizont erweitern.
Wenn mich immer jemand vor meiner Langeweile gerettet hätte, wäre ich heute kein Christ. Ich fing überhaupt erst richtig zu suchen und zu fragen an, als ich länger krank war, alle spannenden Bücher ausgelesen hatte und weil damals Fernsehen erst um 17.00 begann und ab 19.00 Uhr schon wieder langweilig wurde. Der Weg zu einem erwachsenen Umgang mit sich selbst und dem Leben führt nicht an der Langeweile vorbei, sondern durch sie hindurch. Nur: wie vermitteln wir das all den indignierten kleinen Majestäten? Ich habe schon vor einer Weile einmal Christian Schüle aus einem Beitrag für die Zeit zitiert:
Langeweile ist eine Erfindung der Beschleunigungsgesellschaft, deren Mitglieder fürchten, zu sich selbst kommen zu müssen und Leere zu finden.