Zu spät, und viel zu wenig Einsicht…

Schnell klicken, bevor es kostenpflichtig wird: Spiegel Online berichtet vom Chef der Geheimpolizei der roten Khmer. Der Mann heißt Duch und steht nur wegen Mord in 17.000 Fällen vor Gericht. Wie die meisten KZ-Aufseher und Mauerschützen, sieht auch er sich als Opfer und Befehlsempfänger, der im Grunde gar keine Wahl hatte. Sogar seinen Cousin ließ er unschuldig hinrichten.

All das wäre nicht so interessant, wenn da nicht auch stünde, der Mann sei untergetaucht und zum Christentum übergetreten – weil er darin eine Macht sah, die den Kommunismus überwinden konnte. Wenn das einen aufrichtigen Wandel der eigenen Überzeugungen bewirkt hätte, dann wäre etwas mehr Schuld- und Verantwortungsbewusstsein hier zu erwarten gewesen. Aber so, wie sich der Bericht liest, hat der neue Glaube dazu nicht mehr gereicht. Deprimierend!

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Randnotizen beim Festakt

Vorgestern war ich zur Einführung unseres neuen Dekans in der proppenvollen Neustädter Kirche. Die wesentlichen Dinge zur Person standen ja schon alle in der Zeitung. Ich hatte eher das Gefühl, dass der “Neue” es sorgfältig vermied, in mit seiner Predigt über den Perikopentext große programmatische Hoffnungen oder Befürchtungen (in der Regel ist es ja immer beides) zu wecken oder sich theologisch und persönlich gleich nach irgendeiner Richtung aus dem Fenster zu lehnen. Aber vielleicht habe ich nur nicht genau genug hingehört und zwischen den Zeilen gelesen…

Also blieben meine Gedanken an den Kleinigkeiten des aufwändig gestalteten Gottesdienstes hängen. Zum Beispiel, dass mich Anfang und Ende unwillkürlich an die Reise der Pinguine erinnerten. Es hätte nur noch einer der Pfarrer im Zug ein Kind auf seinen beiden Füßen unter dem Saum des Talars balancieren müssen. 🙂

Oder dem Introitus, der aus Römer 1,16 zitierte, das Evangelium ist eine Kraft, “die selig macht”. Ein schöner Beleg dafür, dass Lutherdeutsch ein halbes Jahrtausend später nur noch für die Leute einen Sinn ergibt, die damit groß geworden sind. Alle anderen denken an Sprüche wie “Wer’s glaubt wird selig” und assoziieren damit Schönfärberei und Betrug. Oder sie stellen sich jemand mit einem verträumt-verklärten Lächeln auf dem Gesicht vor, der seiner unmittelbaren Wirklichkeit ein Stückchen entrückt ist. Dass es um eine dramatische Rettung geht (um mal die ebenfalls schwierige Übersetzungsalternative “Heil” beiseite zu lassen), darauf kommt man nicht ohne Weiteres.

Ähnlich falsche Assoziationen weckt für mein Empfinden der Begriff “Himmelreich”, der kam auch vor in einem der Choräle. Die Liste ließe sich jetzt mühelos erweitern. Das Ganze ist nun auch gar keine Kritik an diesem Gottesdienst. Ich frage mich nur, wie viel Insider-Code sich die Kirche – jede Kirche – leisten kann und vielleicht auch muss, und wo dieser Code nicht mal mehr für die Insider mehr verständlich ist, ganz zu schweigen von Menschen, die keine kirchliche Sozialisation mitbringen. Heute würde Luther vermutlich anders übersetzen.

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