Immer in Beziehung

Lesslie Newbigins “The Gospel in a Pluralist Society” ist anspruchsvolle und vor allem ansprechende Lektüre. Nach ein paar Seiten muss ich das Buch immer wieder weglegen und eine Weile drüber brüten. Hier zum Beispiel stellt er den abstrakten Konstruktionen des neuzeitlichen Individualismus die geschichtlich-sozialen Konkretionen des hebräischen Denkens entgegen. Es geht also um mehr als um “Gott und die Seele”:

Im Unterschied zu sowohl der indischen als auch der westlichen Ansicht gibt es hier keinen Versuch, die menschliche Person als autonomes Individuum zu sehen, und die menschliche Beziehung zu Gott als Beziehung eines einzelnen zu einem einzelnen. Von Anfang an sieht die Bibel das menschliche Leben unter dem Gesichtspunkt von Beziehungen. Es gibt keinen Versuch, die Zufälligkeiten der Geschichte abzustreifen, um so die Essenz des Menschseins zu finden. Menschliches Leben wird im Sinne wechselseitiger Beziehungen gesehen: Erstens, die grundlegendste Beziehung zwischen Mann und Frau, dann zwischen Eltern und Kindern, dann zwischen Familien, Sippen und Völkern. Die Bibel spricht nicht über die “Menschheit”, sondern über “alle Familien der Erde” oder “alle Völker der Erde”. Daraus folgt, dass die wechselseitige Beziehung, diese Abhängigkeit des einen vom anderen, nicht nur ein Teil des Weges zum Ziel der Erlösung, sondern im Ziel selbst begründet ist.

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“Mach doch, was du willst”?

Hin und wieder stolpere ich über eigenartige Formulierungen beim Beten und frage mich, was da an unausgesprochenen Gedanken dahinter steht. Ich hatte in Berlin (nett: Bundespressestrand) ein interessantes Gespräch mit Bernd Oettinghaus zu dem Thema. Ein Beispiel sind die super-allgemeinen Pauschal-Gebete: Segne alle Kranken, tröste alle die traurig sind, lass überall Frieden kommen, löse alle Probleme, mach alles gut. Einerseits will man niemanden ausschließen, andererseits macht man sich nicht mehr die Mühe, noch irgendwo konkret zu werden. Es erinnert eher an das obligatorische “Ich bin für den Weltfrieden” aus Miss Undercover. Politisch korrektes Beten halt. Aber es rechnet ja auch niemand damit, dass diese Art von Gebet tatsächlich erhört wird.

Das andere, was mich immer wieder wundert, ist die Annahme, dass Gottes Wille von allein geschieht. Oder umgekehrt: Das alles, was geschieht, Gottes Wille ist, nur weil es eben “passiert” (das ist ein besserer Begriff: Gott lässt es durchgehen, aber will er es wirklich…?).
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mafiöses Christentum?

Am Sonntag habe ich mich mit der Geschichte Jesu über die Winzer-Mafia beschäftigt. Die sizilianische Mafia ist ein brutales System von Ausbeutung und Schattenwirtschaft, ein von Seilschaften beherrschter Staat im Staate, der nicht vom Volk, sondern vom autoritären Paten kontrolliert wird, die ihre eigenen Gesetze machen. Und in Markus 12 steht der Missbrauch von Vertrauen und Privilegien in Zentrum. Die Jerusalemer Priester- und Schriftgelehrtenmafia reagiert auf die Kampfansage sofort und mit drastischen Mitteln.

Natürlich ist der Bezug in Jesu unmittelbare Situation vorherrschend. Und doch geht es um mehr als um einen historischen Rückblick. Paulus schreibt ja in 1.Korinther 10 davon, dass Israels Irrwege uns als Beispiel dienen sollten, aus dem wir lernen. Vielleicht kann man es daher so sagen: Mafiöses “Christentum”…
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Das Ende der Kontrolle

Ich bin in Berlin, zum “Runden Tisch Evangelisation”. Eric Célérier hat gestern das Internet-Projekt Connaitre Dieu vorgestellt, sehr erfrischend und beeindruckend. Zwischendrin konnten wir über Google Earth in Echtzeit verfolgen, wo überall auf der Welt Leute das Angebot wahrnehmen und ein einfaches Gebet als ersten Glaubensschritt beten. E-Coaches helfen dann weiter und ermöglichen auch den Kontakt zu einer Ortsgemeinde, wenn der Betreffende es wünscht.

Natürlich gab es viele interessierte bis kritische Rückfragen: Wie ernst kann man solche Klicks nehmen, bleibt das alles vielleicht im Virtuellen stecken, und so weiter. Dabei ist mir aufgefallen, wie schwer sich viele von uns damit tun, dass man im Internet nur etwas anbieten kann, ohne kontrollieren zu können, was Leute damit machen.
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