Letzte Woche saßen wir im Gott-im-Berg-Team beisammen. Wir ließen den letzten Kreuzweg noch einmal Revue passieren und sammelten schon mal ein paar Ideen für das zehnte Mal im kommenden Jahr. Es ist ein bisschen merkwürdig, wenn man im Hochsommer, wo alles so hell ist, intensiv über Kreuz und Passion nachdenkt, fand ich.
Ein Tag später kam es zu dem schweren Anschlag in Nizza und am Freitag dann zum Putschversuch in der Türkei. Und wir waren wieder mittendrin in der Frage, wo Gott in solchen Zeiten zu finden ist, und wohin wir gehen können mit unserer Trauer, Angst und Wut.
Vielleicht ist das ja der tiefere Sinn der Passionszeit, dass wir immer wieder Worte und Bilder sammeln für solche Zeiten. So wie die Maus Frederick aus meinem Lieblingskinderbuch Farben für den Winter sammelt. Damit wir, wenn es wieder einmal ganz plötzlich finster wird um uns herum, nicht bei Null anfangen, nehmen wir uns sieben Wochen jedes Jahr und stellen uns dem Leid.
Bei Gott im Berg, das fiel mir jetzt beim Nachdenken auf, geht es uns nicht so sehr darum, Antworten zu geben. Es geht mehr darum, Fragen offen zu halten, vorschnelle Antworten zu verhindern und einen Raum zu schaffen, in dem all die Gefühle Platz haben, die uns oft problematisch und unerwünscht erscheinen. Jedes Jahr fragen wir vierzehn Mal, wo Gott in dieser kaputten Welt denn steckt.
Antworten – wenn es sie gibt – brauchen Zeit, und Menschen müssen sie selbst finden. Sie sind nicht in einem stets passenden Allzweckformat vorgegeben. Wir ziehen sie nicht fertig aus der Tasche. Im besten Fall erleiden wir die Dinge, bis sich etwas in uns löst. Die Passion in (sicher etwas willkürlich gewählten) 14 Stationen abzuschreiten ist eben auch eine Lektion darin, dass es ein innerer und oft auch äußerer Weg ist, bis wir unseren Schmerz, Zorn, Verzweiflung und Angst so weit bearbeitet haben, dass das nicht mehr übermächtig ist.
Abgehakt und abgeschüttelt – auch das lehrt das Evangelium – ist das Leiden aber auch dann nicht. Es bleibt in Erinnerung, und diese Erinnerung ist entscheidend wichtig, damit wir die Liebe und Barmherzigkeit Gottes auf den einen Seite und die Verletzlichkeit des Lebens und der Mitmenschen auf der anderen Seite nicht aus dem Blick verlieren. Darum müssen wir sie auch bewusst pflegen. Nur so nämlich wird auch der Sieg der Gerechtigkeit, für den wir beten und auf den wir hoffen, nicht zum Anlass einer gnadenlosen Abrechnung, wie sie jetzt in der Türkei droht, oder zur Jagd auf die üblichen Sündenböcke. Nicht zur Umkehr von Leid, sondern zur heilsamen Verwandlung desselben.