Vorformulierte Gebete?

Neulich erklärte mir jemand in einem Gespräch seine Abneigung gegen vorformulierte Gebete. Eine Weile später fiel mir auf, dass dieselbe Person mit Begeisterung Lobpreislieder singt. Die allerdings bestehen – nimmt man mal die Musik weg – aus … vorformulierten Gebeten! Also singen ja, sprechen nein?

Das ist der Punkt: Man kann Gebete nur gemeinsam sprechen, wenn sie vorformuliert sind. Frei können immer nur einzelne beten, schon auch irgendwie „miteinander“, nur eben nicht unisono. Vorformulierte Gebete machen aber genau das möglich. Ich denke, sie sind ein Schatz: Wir lernen für das persönliche Gebet daraus, aber sie verbinden uns auch mit einander.

Meinetwegen singen wir sie auch, wenn’s hilft. Nur drauf verzichten sollten wir auf keinen Fall.

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6 Antworten auf „Vorformulierte Gebete?“

  1. Stimme dir voll und ganz zu!
    Selbst im persönlichen Gebet tut es gut auf vorformulierte Gebete zurückzugreifen, vor allem wenn ich selbst keine Worte finde oder sich meine Gebete so abgegriffen und leer anhören oder es mir in der Krise die Sprache verschlägt.

    Die Abneigung gegen vorgegebenes (traditionelles) und gleichzeitiger Vorliebe für das spontane, weil geistgewirkter korrespondiert ja auf der anderen Seite mit der Abneigung gegen alles spontane (schwärmerisch) und Vorliebe für Formelles (bewährt).
    Sehr gut ausgeführt von C.Schwarz in seinem Klassiker „Die dritte Reformation“.

  2. Tschuldigung, wenn ich das so sage – aber mir kommen vorformulierte Gebete ziemlich entleert, phrasenhaft, abgedroschen vor, wenn sie von Menschenmengen halbwegs auswendig vorgetragen werden – irgendwie seelenlos.
    Jesus meinte ja in Matth. 6 : 7 ‚Wenn ihr betet sollt ihr nicht plappern wie die von den Nationen…‘
    Denke noch an die ‚Allerheiligenlitaneien‘ , als ich früher noch kath war: ‚ Heiliger İsidor biitfruns…heiliger Nepomuk bittfruns…heiliger Nikolaus von der Flü biitfruns ….
    In Gedanken war man wer weiss wo – mag jetzt vielleicht ein Extrembeispiel sein, aber die Gefahr bei solchen ‚ausgetretenen ‚ Monologen gen Himmel ist ja doch, dass man mit dem Herzen nicht unbedingt bei der Sache sein muss, von der Wahrscheinlichkeit des Erhörtwerdens mal ganz abgesehen.

    Ein anderer Aspekt ist der, dass man im normalen Leben mit einem Kind, dass 5 x hintereinander zur Mama ‚Geliebte Mutter, bring mich heute Morgen unversehrt zum Schuleingang‘ sagt, vielleicht mal zum Psychologen gehen würde, ob denn wohl im ‚Oberstübchen‘ noch alles in Ordnung ist.
    Irgendwie halte ich es für eine Beleidigung Gottes, wenn man auf eine solche Art und Weise mit ihm spricht, und ich würde mich schaemen, mit meinem besten Freund so zu kommunizieren.
    Auch wenn man in manchen Faellen, vor lauter innerem Schmerz, kaum Worte findet und nur noch ‚Oh Gott , hilf mir !‘ sagen kann, weiss Gott doch ohnehin, was uns innerlich bewegt und heisst es nicht in einem der Paulusbriefe, dass der ‚hl. Geist mit unausgesprochenen Seufzern für uns eintritt?‘
    Also braucht man solche ‚Krücken‘ eigentlich nicht.
    Andererseits denke ich, dass gesungene ‚Psalmen‘ oder Worshipsongs auf einer anderen emotionalen Ebene stehen., als Massengebete!

  3. @Johannes: Es gibt in allen vertrauten Beziehungen Sprachrituale – die fallen Dir nur nicht auf. Kinder lieben Wiederholungen ganz besonders.

    Hast Du schon mal zehn „freie“ Tischgebete verglichen? Und wozu steht der Psalter in der Bibel? Das ist ein Gebetbuch. Was betet Jesus am Kreuz? Psalm 22, ein vorformuliertes Gebet.

    Deine Verachtung für „Massengebete“ sei Dir gegönnt, ich für meinen Teil finde sie leicht arrogant, aber gut begründet ist sie nicht – weder theologisch noch psychologisch.

  4. @johannes: ich habe sie schon mehrfach erlitten, die freien und seelenlosen Gebete, die verkappten Predigtgebete, die dem anderen ins Gewissen reden, die freien sinnfreien und geplapperten Gebete.
    Warum verfallen wir als Christen immer wieder in dieses entweder oder denken? Also ob persönliche Gebete per se geistlicher und tiefgründiger sind und vorformulierte Gebete nur Geplapper.
    Beides hat seinen Stellenwert, seine Gefährdung und bedarf der geschenkten Gottesbeziehung.
    Beides kann zur frommen Show verkommen und mißbraucht werden.
    Beides kann wertvolle Äußerung wahrhaftiger Herzensfrömmigkeit sein.

  5. Da ich grad ein wenig Zeit hab, hak ich mich kurz noch mal ein.
    Du hast sicher recht Wolfgang, dass es bei jeder Art Gebet auf die echte Beziehung zu Gott und auf ein aufrichtiges Herz ankommt.
    Wenn das besteht, dann braucht ein intelligentes Wesen das mit dem höchsten Intellekt des Universums sprechen will, finde ich jedenfalls, nix Vorgedrucktes – das dann alle im selben Tonfall nachreden,
    Habe aber vorhin auch geschrieben, dass die vertonten Gebete – sprich Psalmen – die ja auch für die Anbetung im Tempel benutzt wurden, auch von den Aposteln gesungen wurden (Paulus-Gefaengnis-Philippi) für mich eine andere Ebene darstellen und gesungener Lobpreis hat eine andere Emotionalitaet. Man bringt sich da durch die Tonalitaet ganz anders ein.

    Die Kritik von Peter stecke ich gerne ein – eine theologische Bewertung interessiert mich auch nicht sonderlich – und Kinder brauchen auch nix Vorformuliertes in ihrer Spontanitaet, auch wenn sie drei Mal ‚Aetsch, baetsch, ich hab Dich aber gesehen!‘ sagen.
    Zu Psalm 22: 2 das Jesus angeblich gebetet haben soll noch eine kurze Anmerkung –
    schweift vom Thema etwas ab, sorry! – diese Eli, Eli, lema sabachthani, bedeutet lt.
    ‚Evangelien aus aramaeischer Sicht‘ G. Lamsa – eigentlich ‚Mein Gott, mein Gott, , für dieses Los wurde ich bestimmt‘, was mir viel logischer erscheint, als dass Jesus ausrief, Gott habe ihn ihm Stich gelassen.
    aram. taatani-verlassen, bzw. nashatani – preisgeben, die Jesus nicht gebrauchte.
    Wieso sollte Jesus auch im Angesicht seiner haemischen Feinde ein Eingestaendnis der Verzweiflung und der Niederlage von sich geben, da doch der Sieg so nah war?! Und Gott auch in der Todestunde bei ihm war. Es widerspraeche allem, was Jesus vorher aeusserte.

    Thats it – mit agape Johannes

  6. @Johannes: Ich denke, der Unterschied ist, ob vorformulierte Gebete nur „runtergebetet“ werden, oder ob ich mich wirklich damit identifiziere, sie zu meinen eigenen mache, auch damit ringe und sie vielleicht sogar leicht variiere. In zweitem Fall denke ich, dass sie sehr lebendig sein können. Teilweise vielleicht sogar lebendiger als ein freies Gebet, das seinen eigenen Formeln folgt. Aber es gibt hier sicher auch verschiedene Ansätze, die auch verschiedenen Menschen zu verschiedenen Zeiten gut tun. Ich sage: es lebe die Vielfältigkeit!

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