Endlich erhältlich: Öffentlich Glauben von Miroslav Volf

Im vergangenen Jahr habe ich Miroslav Volfs A Public Faith für den Francke-Verlag übersetzt und nun ist es endlich so weit, das Buch ist auf dem deutschen Markt. Ganz besonders freut mich, dass Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm das Vorwort für seinen Kollegen aus Yale geschrieben hat.

Die Frage, wie und in welcher Form Christen am gesellschaftliche Leben teilnehmen und teilnehmen sollten, hat schon immer die Gemüter erhitzt. Aktuell etwa positionieren sich die große Kirchen in der Flüchtlingskrise sehr eindeutig, was bei konservativen Parteien und deren kirchlichen Sympathisanten mit Missfallen zur Kenntnis genommen wird (da will man die Bibel auf einmal nicht mehr ganz so wörtlich nehmen). Aber es gab und gibt ja auch die säkularistische Forderung, Kirchen und Religion aus dem öffentlichen Raum möglichst vollständig herauszuhalten.

Miroslav Volf geht davon aus, dass praktisch gelebter Glaube auf „menschliches Gedeihen“ hin angelegt ist, also ein erfülltes Leben und ein friedliches Miteinander in der Gesellschaft. Die Frage nach dem ewigen Heil Er behandelt zwei Fehlfunktionen, nämlich den weltflüchtigen (und damit untätigen) Glauben und den übergriffigen Glauben.

Volf entwickelt diese doppelte Abgrenzung sehr sorgfältig und buchstabiert dann durch, wie Christen (aber auch Juden und Muslime) in einem säkularen Staat und einer pluralistischen Gesellschaft so leben, dass es dem Gemeinwohl nützt und sich jeder Tendenz zu religiösem Totalitarismus widersetzt. Ein wichtiges Thema, denn

die religiöse Vielfalt westlicher Länder spiegelt die zunehmende religiöse Vielfalt der Welt als ganzer wider. Was die einzelnen Länder angeht ist religiöse Vielfalt freilich kein westliches Phänomen. In mancher Hinsicht ist der Westen sogar spät dran. Einige nichtwestliche Länder wie Indien zum Beispiel leben seit Jahrhunderten mit religiösem Pluralismus.12 Andere werden wahrscheinlich zunehmend pluralistisch, wobei verschiedene Religionen – allen voran Christentum und Islam – um Mitglieder wie um gesellschaftliche Macht und politischen Einfluss wetteifern. Global und national wird religiöse Vielfalt in den nächsten Jahren in wichtiges Thema bleiben. Die modernistische Sehnsucht nach einer säkularen Welt muss zwangsläufig zu Enttäuschungen führen, genauso wie die Nostalgie eines „christlichen Europa“ oder eines „christlichen Amerika“ genau das bleiben muss: unerfüllte Nostalgie.

Nicht die schlechteste Wahl, wenn Ihr demnächst Eure Weihnachts-Wunschzettel zusammenstellt…

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Sinn und Sinnes Sinn

Der Philosoph Volker Gerhardt unternimmt in seinem kürzlich erschienenen Werk Der Sinn des Sinns: Versuch über das Göttliche den spannenden Versuch, eine philosophische Perspektive auf Denken und Glauben, Gott und die Welt zu entfalten. Ich habe mit dem Lesen erst begonnen und doch schon aus der Einleitung viele gute Denkanstöße mitgenommen. Zum Beispiel diesen Kommentar zum Horizont der Sinnfrage:

Der schwer erkrankte, inzwischen verstorbene Schriftsteller Wolfgang Herrndorf ließ sich mit einem Zettel fotografieren, auf dem zu lesen steht: „Weltformel nicht in Sicht. Vielleicht ist alles sinnlos?“ Das „Vielleicht“ hätte sich der tapfere Autor ebenso sparen können wie das Fragezeichen. Wenn „alles“ nur das ist, was es in aufzählbaren Sachverhalten gibt, ist nichts sinnloser, als nach dem Sinn der Welt zu fahnden.

Doch die Lage ändert sich augenblicklich, sobald wir, anstatt von einer „Weltformel“ objektive Auskunft zu erwarten, von uns selbst ausgehen und die „Selbstformel“ als das Paradigma ernst nehmen, an das alles Suchen nach Sinn gebunden ist. Für die „Selbstformel“ ist der Sinn bereits konstitutiv. … Die Sinndimension ist die Voraussetzung dafür, in der Welt überhaupt nach einem Sinn suchen zu können. Man müsste schon das Fragen verbieten, wenn man die Suche ausschließen will.

Mit dem Verlust der Sinndimension (Nietzsche beschreibt das mit dem Schlagwort vom „Tod Gottes“) ginge, wie Gerhardt schreibt, jede Möglichkeit der Selbsterkenntnis verloren und damit auch die Selbstüberwindung des Menschen, die Nietzsche anstrebte. Ein paar Absätze später fasst Gerhardt sein Anliegen so zusammen:

Von diesem Sinn, in dem wir durchschnittlich leben, als sei er uns bekannt, und der uns verzweifeln lässt, sobald er fehlt, (und dennoch die Verzweiflung trägt), handelt das vorliegende Buch. Es sucht zu zeigen, dass alles, was wir mit einer über den Augenblick hinausgehenden Sinnerwartung tun, auf einen tragenden Sinn des Daseins vertraut, in dem wir mit dem Ganzen verbunden sind. Unter dem Eindruck dieses uns stützenden und fördernden Sinns gewinnen wir die rationale Zuversicht, der zu sein, der wir sind oder sein möchten, um dort, wo es uns wichtig erscheint, über uns selbst hinauszugehen.

Unabhängig davon, ob man Gerhardt in allen Dingen folgt, scheint mir sein Buch für alle Theolog_innen schon deshalb eine gewinnbringende Lektüre, weil es außerhalb vieler üblicher theologischer Sprachspiele und Zirkelschlüsse steht und die Begründung der bestehenden philosophisch-theologischen Grenzziehungen in Frage stellt. Anders gesagt: Wer sich fragt, wie man verständlich und „unfromm“ von Gott und Glauben reden kann, der wird hier ein weites Lernfeld entdecken.

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Wenn Wissen zum Glauben drängt

ZEIT Campus interviewt Armin Maiwald von der „Sendung mit der Maus“. Der gelernte Theaterwissenschaftler erklärt seine Vorliebe für Karl Popper, gibt seine Ansichten zum Niveau des Fernsehens preis und erzählt unter anderem auch, dass er Gott und Glauben nie zum Thema gemacht hat, weil das eben nicht ein Gegenstand unter anderen ist. Und dann sagt er auf die Frage nach dem Verhältnis von Glauben und Wissen:

Ich bin kein gläubiger Mensch im Sinne der kirchlichen Institutionen. Aber je mehr ich in wissenschaftliche Grenzbereiche eindringe, desto mehr zweifele ich, dass das alles nur Zufall sein kann. Ich habe mal eine Geschichte über Frösche gedreht. Der Biologieprofessor konnte auf den Tag genau sagen, wann ein Frosch lurcht. Aber auf die Frage: »Warum macht er das?«, kam nur die Antwort: »Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Da kann man nur gläubig werden.«

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