Mich beschäftigt eine Bemerkung von NT Wright zum Thema Rechtfertigung (aus dem Aufsatz: Walking to Emmaus in a Postmodern World), wo er erklärt, dass moderne Menschen “eifrige Pelagianer” seien. Er meint damit, dass einerseits ein gewisser Optimismus über die eigenen Möglichkeiten herrscht, der sich dann mit einem Hang zu moralischen Appellen verbindet. Solchen Leuten muss man Rechtfertigung á la Luther und Augustin predigen.
Wenn ich mir die meisten Gemeindepredigten anhöre, dann stelle ich genau das fest: Man meint, Pelagianer vor sich zu haben. Also predigt man gegen religiöses Leistungsdenken bzw. dessen neurotische Konsequenzen an, oder man spricht weniger fromm das soziale Gewissen der Leute an und mahnt (inzwischen eher milde) zu mehr Einsatz, Solidarität, Mitmenschlichkeit. Für die Insider und typischen Aufatmen-Leser 😉 stimmt das auch tatsächlich.
Ganz anders sieht es mit den postmodernen Zeitgenossen aus. Der moderne (Fortschritts-) Optimismus ist tot und es gibt keinen gemeinsamen moralischen Nenner mehr. Konkrete Schuldgefühle sind einem diffusen Bewusstsein gewichen, irgendwie nirgends zuhause zu sein, nicht zu “passen”. Es ist völlig unklar, auf wen oder was man sich überhaupt noch verlassen kann. Wir sind zu oft betrogen worden von Leuten, die sich ihrer Sache allzu sicher waren.
Hier haben wir die Chance, das Evangelium, das Paulus zu den (vormodernen) Heiden brachte, wieder zu entdecken. Und das beginnt in Römer 1, nicht erst in Römer 3. Vergebung und Rechtfertigung werden einem größeren Ziel untergeordnet, für das Gott in die konfuse Welt gekommen ist. Gottes Gerechtigkeit – die bedeutet, dass er seine Welt nicht im Stich lässt, sondern vom Kopf wieder auf die Füße stellt, indem er sich einmischt, mit uns leidet, und so wahres, von destruktiven Kräften befreites Menschsein ermöglicht und mit der Neuschöpfung der Welt schon begonnen hat.
Das ist eine viel größere Hoffnung. Sie muss aber anders erzählt und vor allem gemeinschaftlich gelebt werden. Für Lutheraner mit der fatalen Neigung zum Statischen (simul iustus et peccator – gibt es da Veränderung) und Privaten (Vergebung als moralisch-innerliche Kategorie, ein bloßes Freisprechen oder Begnadigen) eine ganz besondere Herausforderung. Wright hat das in eine fiktiven Emmaus-Dia-/Trialog gepackt. Am besten selber lesen…
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