Vor ein paar Wochen hatten wir Martin Pepper hier zu Gast. Er hatte eine Menge guter Beobachtungen und Anregungen rund um das Stichwort „Anbetung“ im Gepäck. Immer wieder war auch davon die Rede, wie wir uns selbst im Weg stehen können, wenn wir die Bilder und Metaphern nicht passend wählen. Das betrifft sowohl unser Reden von Gott als auch die Vorstellung davon, was wir in einem Gottesdienst denn tun (oder tun sollten).
Wir kommen ja nicht umhin, bildhafte Sprache zu verwenden, nur machen wir uns selten bewusst, welche Metaphern im Hintergrund des jeweiligen Diskurses stehen, und wie sie das Resultat beeinflussen. Schon vor längerer Zeit habe ich das folgende Zitat von Iain McGlichrist einmal gepostet:
Die gewählte Metapher ist sowohl Ursache als auch Wirkung der Beziehung. Daher offenbart sich, wie wir über uns selbst und unser Verhältnis zur Welt denken, schon in den Metaphern, die wir unbewusst wählen, um darüber zu sprechen. Diese Entscheidung verfestigt unsere Teilansicht des Themas weiter. Paradoxerweise scheinen wir genötigt, etwas – einschließlich unserer Selbst – gut genug zu verstehen, um das angemessene Modell zu wählen, bevor wir es verstehen können. Unser erster Sprung bestimmt, wo wir landen.
In einem von mehreren Gesprächen seit dem Seminar kamen wir darauf, dass Martin bei der Königs- und Thronsaal-Metapher zu besonderer Behutsamkeit riet. Monarchie und Feudalismus sind seit fast einem Jahrhundert abgeschafft, und autoritäre Willkür ist gerade kein prominenter Zug eines gesunden Gottesbildes. Nicht von ungefähr ist die Königs-Metapher diejenige Vorstellung, die auch in den heidnischen Religionen im Vordergrund stand, wo der Götterhimmel als Monarchie und der irdische König als gottgleich gedacht wurde. Und Jesus hat mit seiner Verkündigung der Gottesherrschaft vor allem an die königs- und machtkritischen Traditionslinien der hebräischen Bibel angeknüpft, während er außer dem kryptischen „Menschensohn“ die angebotenen Hoheitstitel eher ablehnte.
Kürzlich habe ich mit einer Konfi-Gruppe verschiedene Jesusbilder angesehen. Die stärkste positive Reaktion kam zu einem revolutionären Jesus, die befremdlichste Darstellung war ein kitschig-prunkvoller Jesus, der wie ein Kaiser (oder wie ein russischer Zar) gekleidet war. Mit dem konnten sie am wenigsten anfangen. Sie sagten: Irgendwie (!) ist Jesus ja ein König, aber doch nicht so einer. Und sie haben völlig Recht: Wenn überhaupt, dann ist Jesus doch der absolute Anti-König. Nimmt man den Hebräerbrief aus, dann kommt der Königstitel in der neutestamentlichen Briefliteratur extrem selten vor. Folglich ist es auch nicht die beste Idee, Bilder aus dem höfischen Leben eine zentrale Rolle in Gebeten, Liedern und Verkündigung einzuräumen. Für den Seher Johannes in der Verbannung und für die bedrängten Gemeinden, an die seine Offenbarung adressiert ist, war es ein revolutionärer Akt, einen Jesus zu verehren, der dem Kaiser in Rom und seinen Handlangern überlegen war. Heute aber klingt diese Sprache eher nach Märchen mit Faunen und sprechenden Bibern als nach der Alltagswelt. Wir brauchen andere Gegenbilder gegen die Unterdrückung und das Leid auf diesem Planeten.
Die Königsmetapher hat aber noch einen weiteren, gravierenden Pferdefuß, und der betrifft unser Verständnis von Leitung: Egal wie freundlich wir unser Reden vom König ausschmücken, ein gewisses hierarchisches Element bleibt immer erhalten. Wenn wir Gottesdienst primär als „Majestätsverehrung“ begreifen, dann machen wir es uns selbst schwer, Verständnis aufzubringen für die, denen unsere Formen unzugänglich sind, die sich in unserer Sprache nicht so zuhause fühlen, deren Erfahrungen in den letzten Tagen nicht so triumphal ausgefallen sind oder was auch immer sonst jemanden dazu bringen kann, sich eher verhalten zu beteiligen – weil es in der vorgegebenen Logik unserer Metapher quasi Majestätsbeleidigung ist, wenn man dem legitimen Herrscher das im zustehende Lob vorenthält.
Zum Glück gibt es viele andere Bilder, biblische und (wer hat denn gesagt, dass es immer nur biblische sein müssen?) aktuelle wie den Rebellen-Jesus. Der trifft die Person, von der die Evangelien erzählen, nämlich gar nicht so schlecht.
Spannend! Wie würdest du aber den Titel „Christus“ in dem Ganzen einordnen? Auch „Gottes Sohn“ ist ja ein messianischer Titel, zwar nicht direkt von Jesus beansprucht, aber immer wieder über ihn ausgesagt. Ich sehe die Königsmetapher auch kritisch, weil sie mittelalterliche Assoziationen und Zerrbilder produziert, aber ich frage mich, ob es da nicht einen Weg gibt, die positiven (und vielleicht notwendigen) Aspekte der Königsmetapher auszusagen, der die falschen Assoziationen ausklammert.
Danke für die Anregung für die Predigt am 27.12.
„Wenn wir Gottesdienst primär als „Majestätsverehrung“ begreifen, dann machen wir es uns selbst schwer, Verständnis aufzubringen für die, denen unsere Formen unzugänglich sind, die sich in unserer Sprache nicht so zuhause fühlen, deren Erfahrungen in den letzten Tagen nicht so triumphal ausgefallen sind oder was auch immer sonst jemanden dazu bringen kann, sich eher verhalten zu beteiligen – weil es in der vorgegebenen Logik unserer Metapher quasi Majestätsbeleidigung ist, wenn man dem legitimen Herrscher das im zustehende Lob vorenthält.“
Ja – für meine iranischen Geschwister im Gottesdienst wird es schwer sein aus dem Bild des Königs etwas positives herauszulesen – und manche urdeutschen Geschwister verlieren sich vielleicht in floskelhaften Lobhudeleien, wie man sie einem König nun mal schuldet.
„aber ich frage mich, ob es da nicht einen Weg gibt, die positiven (und vielleicht notwendigen) Aspekte der Königsmetapher auszusagen, der die falschen Assoziationen ausklammert.“
Genau das frage ich mich auch:
‚Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt, der Friedefürst.‘
Welcher König kommt schon zu mir? Was muss das für ein König sein?
‚5Saget der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin. ‚
In Zeiten, in denen medial Fürsten und Monarchen gehuldigt wird muss ich doch das Bild des eselreitenden Königs nur ausmalen, um der Gefahr zu begegnen, Gott ein wenig oberhalb der Queen anzusiedeln …
Das kann man ausmalen, aber vom Kontext her ist ja mit „Dir“ eben Zion gemeint, also die Königsstadt Jerusalem, und die Esel sind nicht ganz frei von königlichen Konnotationen – z.B. in 2.Sam 16:2 „Die Esel sind für die königliche Familie als Reittiere bestimmt“. Man kann versuchen, die Königsmetapher zu korrigieren. Aber wenn sie die dominierende Metapher bleibt und keine anderen hinzukommen, wird das m.E. scheitern.