Hoffnungslose Optimisten

Am Samstag haben Daniel und ich auf der Straße Leute interviewt zum heutigen Gottesdienstthema Hoffnung. Beim Bearbeiten wurde immer deutlicher (manche Sätze muss man ein paar mal hören…), dass zwar alle versuchen, optimistisch zu sein, aber dass eine echte Hoffnung fehlt. Was bleibt, ist ein schulterklopfendes “wird-schon-wieder” – eben die rosa Brille von der lieben Tante Evolution, von der in Geo zu lesen war, mit der wir unsere (triste?) Welt schönen.

Nun lebe ich auch lieber unter Optimisten als unter Schwarzsehern. Optimismus ist besser als Verzweiflung, aber ist er genug? So lange es uns halbwegs gut geht, kommen wir damit vielleicht durch. Was aber, wenn die Umstände schlimm werden? Die Tragik ist doch, dass wir bei scheinbar – oder tatsächlich – übermächtigen Problemen ohne Hoffnung einfach den Kopf in den Sand stecken, um unseren Optimismus nicht zu verlieren. Und dass wir jetzt schon so leben, dass wir etwa beim Klima reale Risiken herunterspielen oder ignorieren – beziehungsweise und für unzuständig erklären. Brutal gesagt: Auf der Titanic waren auch lauter Optimisten unterwegs…

Charakteristisch ist dagegen die weitgehende Fehlanzeige beim Thema Hoffnung.

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Während viele sich noch Chancen auf ein günstiges Schicksal ausrechnen und die eigenen Möglichkeiten positiv bewerten, hieß es bei der Frage nach einer besseren Welt eher resignativ: Wir müssen dran arbeiten und dürfen nicht aufgeben. Nur konnten die wenigsten einen Grund dafür nennen, warum nach allem Scheitern der Menschheit bisher denn nun ein Erfolg eintreten sollte.

Die materialistisch und individualistisch tickende Wohlstands- und Konsumgesellschaft kennt keine Hoffnung. Sie denkt nicht an die Zukunft, sondern nur an den Augenblick. Sie ist nicht einmal fähig, über die vorhandene Not anderer richtig zu trauern und Schmerz zu empfinden. Alle Kräfte sind darin gebunden, den momentanen Lebensstandard zu sichern. Walter Brueggemann schreibt dazu genial:

Selbst in unserem persönlichen Leben ist es so, dass wir annehmen, die vorfindlichen Dimensionen, die wir so oft umsortiert haben, seien die einzigen Dimensionen, die es gibt. Sich ein neues Geschenk vorzustellen, das von außen kommt, verletzt unsere Vernunft. Wir sind ebenso wenig in der Lage, an Gottes Gnade zu glauben, wie an sein Gericht. (The Prophetic Imagination, S. 62)

Und etwas später schreibt er dann, nun positiv gewendet:

Die Aufgabe prophetischer Phantasie und Wirkens ist es, eben die Hoffnungen und Sehnsüchte zum Ausdruck zu bringen, die so lange verleugnet und so tief unterdrückt wurden, dass wir gar nicht mehr wissen, dass es sie gibt. Einerseits ist Hoffnung so absurd, dass es peinlich ist, darüber zu reden, denn sie trotzt allen Wahrheitsansprüchen, von denen man uns gesagt hat, sie seien Fakten. Hoffnung ist die Weigerung, jene Lesart der Wirklichkeit zu akzeptieren, die Mehrheitsmeinung ist; und das tut man nur mit einem großem politischen und existenziellen Risiko. Andererseits ist Hoffnung subversiv, denn sie schränkt die großspurige Täuschung der Gegenwart ein, indem sie es wagt anzukündigen, dass die Gegenwart, der wir uns alle verpflichtet haben, nun in Frage steht. (Ebd., 65)

Hoffnung zu wecken ist ein prophetischer Auftrag. Weil sie nicht aus dem Vorhandenen kommt, gründet sie auf einem Versprechen. Und sie muss uns zugesprochen werden. Nicht im sachlichen Ton wissenschaftlicher Prognosen, sondern wie bei Jesus und seinen prophetischen Vorgängern in Geschichten, Liedern, Bildern. Es geht tatsächlich darum, wer eine andere Welt überhaupt erst einmal denken kann. Offenbar sind es nicht mehr viele.

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2 Antworten auf „Hoffnungslose Optimisten“

  1. Das kann ich nur bestätigen: Hoffnung zu wecken, das ist unser prophetischer Auftrag, den wir an dieser Welt zu erfüllen haben. Und diese Hoffnung kann sich nur allein in Jesus begründen. Die Adventszeit, in der wir jetzt leben, bietet uns viele Möglichkeiten von dieser Hoffnung zu reden. Auch gerade Nichtchristen gegenüber.

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