Ich lese ab und zu etwas über die lokalen Heiligen dieser Gegend. Für Nürnberg ist das der Heilige Sebaldus, dem auch ein paar hundert Meter von hier eine katholische Kirche geweiht ist. Im Sebalder Reichswald (bzw. dessen immer noch ansehnlichen Resten) gehe ich gern laufen oder radeln, daher fühle ich mich dem Guten schon etwas verbunden und war neugierig, was man über ihn weiß. In Stadlers Heiligenlexikon las ich unter anderem dies:
Als sich einmal in Mitten des Volkes ein Ketzer empört und freventlich geredet, daß seine Lehre falsch wäre, hat der heil. Sebalds zu Gott dem Allmächtigen gerupft und demüthiglich gebeten, daß er ein Zeichen vor allem Volke wirken wolle, durch welches der christliche Glaube desto mehr bestätigt werden möge. Zur Stund hat sich das Erdreich aufgetan, und im Angesichts alles Volkes denselben Ketzer bis zum Hals verschlungen. Und als er immer tiefer unter sich gesunken, ist er in sich selbst gegangen, hat seinen falschen Irrtum bekannt und mit lauter Stimme zum heil. Sebalds gerupft, Gott für ihn zu bitten, mit dem Zusagen, daß er hinfüro dem christlichen Glauben anhängen wollt. Also ist er wiederum durch die Fürbitte des Heiligen auf das Erdreich erhebt und von solcher göttlichen Straf gnädiglich erledigt, und sind von diesem Zeichen gar viel Menschen zu dem Glauben bekehrt worden.
Solche Elemente in de Heiligenviten sagen vermutlich ja mehr über die Vorstellungen, Ängste und Sehnsüchte der Zeitgenossen und Nachgeborenen aus als über den Heiligen selbst. Ein paar biblische Analogien gibt es freilich, wenn Paulus einen Gegner mit Blindheit schlägt und Elisa… nun gut. In der Regel lief es aber anders, und das ist auch ganz gut so.
Anscheinend sind genau die Punkte, die Heilige damals populär machen konnten (und die ihnen wohl auch entsprechend gern angedichtet wurden), heute die anstößigsten: Drastische Gesten der Einschüchterung, massive Machtdemonstrationen für eine Gesellschaft, in der sich der Stärkste in der Regel durchsetzt, also auch der stärkste Gott. Heute stehen bei uns andere Werte höher im Kurs. Oder die meisten von uns finden schlicht diese Art von Mirakeln und Machterweisen nicht mehr besonders überzeugend.
Diese Art nicht mehr. Aber der Schluss „Wer Erfolg hat, hat auch Recht“ ist immer noch weit verbreitet, auch in der Christenheit.
beim lesen der heiligen-viten frage ich mich immer, was bleibt, wenn man mal die ideologische brille der damaligen zeit und insbesondere die der schreiber abzieht. was genau war damals realität? was ist wirklich passiert? und das führt dann irgenwann weiter zu der frage, was bleibt, wenn wir heute unsere ideologische brille mal zur seite legen. welche realität sehen wir dann? welcher gottesglaube bleibt übrig? [ach, schon wieder ein kommentar, der mit einer frage endet…].