Da habe ich gestern noch auf ein paar Sätze von Kardinal Woelki zur Sexualethik hingewiesen, und nun lese ich überrascht, dass in den USA kein geringerer als Alan Chambers, Präsident von Exodus International, offenbar schwer am Umdenken ist, was seine bisherige Position zur Therapierbarkeit homosexueller Orientierung angeht. Er distanziert sich von dem Konzept der „reparative therapy“.
Die New York Times hat das Thema aufgegriffen. Dort wird auch erwähnt, dass sich Chambers Rücktrittsforderungen ausgesetzt sieht, weil er nicht bestreitet, dass Homosexuelle „in den Himmel kommen“. Chambers wiederholt diesen inklusiven Standpunkt in einem TV-Interview, das auch auf Chambers‘ Blog zu sehen ist. Vielleicht ist diese Aussage auf lange Sicht noch wichtiger. Ganz ausführlich kommt Chambers in The Atlantic zu Wort. Er vertritt immer noch (wie Woelki) eine relativ konservative Theologie, aber in einem sehr moderaten Tonfall, der dieser sehr gereizten Debatte definitiv gut tut.
Der Vorstand von Exodus International soll außerdem beschlossen haben, sich jeglicher Kriminalisierung von Homosexualität zu widersetzen. Den breiteren Hintergrund der Entwicklung in den USA beleuchtet aktuell dieser Artikel in der Zeit.
Das ist ein Thema, bei dem es fast unmöglich ist, das richtige zu sagen. Die „lauten“ Lobbys beider Seiten lassen die vernünftigen und ausgewogenen Stimmen selten hörbar werden.
Ich empfinde es z.B. extrem schwierig mit Christen zu reden, die noch nicht einmal zwischen schwul und homosexuell unterscheiden. Auf der anderen Seite ist es gegenüber manchen Schwulen unmöglich zu erwähnen, dass mancher schwule Mann oder lesbische Frau nun aus irgendeinem Grund ein paar Jahre später doch in einer heterosexuellen Ehe mit Kindern leben. (Und ich rede jetzt noch nicht mal von therapierten Christen.)
Das Leben ist eben nicht schwarz-weiß genug um alle Sachverhalte auf Transparentgröße zusammen zu schrumpfen oder um sie auf ein T-Shirt zu drucken (wie Alan ja selber sagt).
Ich kenne eine Menge (Ex-)LGBTs, auch einige Christen. Keine(r) ist wie die/der andere. Von DEM Schwulen zu reden ist daher gar nicht möglich, oder?
Naja, es ist wie immer: Generalisierungen sind manchmal unumgänglich, aber wenn man vergisst, dass damit große Unschärfen verbunden sind, dann hat man ein Problem. Um so besser, dass hier das Bemühen um Differenzierung erkennbar ist.