Das dritte Kapitel von Geduld mit Gott widmet Halik über weite Strecken der Thérèse von Lisieux, die mitten im verbissenen Abwehrkampf des französischen Katholizismus gegen den Atheismus ihren Glauben auf eine ganz andere Art lebte, und – so Halik – am Ende ihres Lebens sogar verlor. Nu die Liebe blieb, und das lässt sich als Erfüllung des Pauluswortes von 1. Kor 13,8 verstehen, dass in Gottes neuer Welt Glaube und Hoffnung sich in die Liebe hinein auflösen. Bei Thérèse scheint das schon eingetreten zu sein kurz bevor sie die Schwelle überschritt – so wie mancher Marathonläufer buchstäblich ins Ziel wankt und über die Linie fällt.
Sie deutet ihr Verlassensein von Gott als Platz nahmen an einem Tisch mit den „Ungläubigen“, und durch ihre Solidarität mit ihnen erschließt sie für die verbohrte Kirche neues Land. Die Abwesenheit Gottes als „existenzielle Wahrheit des Atheismus“ wird so auch Teil des Glaubensschatzes. Der Atheismus, sagt Halik, ist eben nicht als Lüge zu verstehen, sondern als eine „nicht zu Ende gesprochene Wahrheit“ – und eine nützliche Antithese zur „vulgären Religion“. Auch Chesterton konnte im Blick auf das Sterbewort Jesu ja auch sagen, dass hier „Gott für einen Augenblick Atheist zu sein schien“.
Thérèses Lebensthema war die Demut, und Halik zitiert den folgenden schönen Gedanken von ihr:
Ein Mensch, der lange auf den Berg der Tugend geklettert ist (…) solle mit demütiger Freude auch eine Sturz und (von Gott gewollten) Fall akzeptieren, denn nicht in dem erträumten „Oben“, sondern vielmehr unten wartet Gott auf ihn, „in der Tiefe des fruchtbaren Tales der Demut“.
Die deutsche Theologin Dorothee Sölle ist die bekannteste Vertreterin dieser Richtung, beeinflusst durch Ernst Bloch „Das Prinzip Hoffnung“.
Atheismus bedeutet bei beiden nicht den Verzicht auf Sinnhaftigkeit oder Transzendenz, sondern die Abkehr von einem allzu theistischen Gottesbild, der Vorstellung eines Gottes, der als allmächtiger, allwissender und allgegenwärtiger Gott Not und Leid bis hin zu Auschwitz zugelassen hat.
Kennst du sicher:
Thomas J. Altizer (The Gospel of christian atheism),
William Hamilton (Radical Theology and the Death of God),
Paul van Buren (The secular meaning of the Gospel)
oder Gabriel Vahanian (The death of God)
wow, hast Du die alle gelesen, Frank?
Dank http://www.zvab.com. Die kosten gebraucht fast nichts
Ich habe etwa 3 Regalmeter religiöser Literatur. (Unter „Philosophie“ einsortiert)
;-))
ja, aber haben und gelesen haben sind bei mir auch noch zwei paar Schuhe
Naja, ist nix, was mal jedes Jahr liest. Aber ab und zu muss man was nachschlagen, weil man einen Bezug in einem anderen Buch (oder Blog…) findet. Ich lese i.d.R. mehrere Sachen gleichzeitig. Je nach Lust. Meistens eine Computerfachzeitschrift, ein wissenschaftliches Journal, Belletristik und was philosophisches oder Lyrik.
Aktuell: Maclife, technology review, Die Stadt der träumenden Bücher (Moers), Der Untergang der islamischen Welt (Abdel-Samad), Die Reise des Elefanten (Saramago)
und Hesse´s „Einheit hinter den Gegensätzen“.
Danke für die Impulse, Peter, Frank.
so neu sind diese Gedanken übrigens gar nicht. Durch die ganze Kirchengeschichte hindurch findest du Menschen, die ähnliches dachten. Sehr bekannt: Meister Eckart
Als einer der ersten neuzeitlichen Befreiungstheologen forderte Thomas Müntzer Anfang 16. Jhd, die Bibel zu verwerfen. Er spottete: „Bibel, Babel, Bubel“ und bezeichnete Luther ob seiner Schriftfixation als „papierneren Papst“. Luthers Reaktion ist ja bekannt: In „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ ruft er die Fürsten auf:
„Es gillt auch nicht hie gedult odder barmhertzickeyt. Es ist des schwerds und zorns zeyt hie und nicht der gnaden zeyt. So soll nu die oberkeit hie getrost fort dringen und mit gutem gewissen dreyn schlahen, weyl sie eyne ader regen kan, Denn hie ist das vorteyl, das die bawren böse gewissen und unrechte sachen haben, und wilcher bawr darüber erschlagen wird, mit leyb und seele verluren und ewig des teuffels ist. Aber die oberkeyt hat eyn gut gewissen und rechte sachen und kan zu Gott also sagen mit aller sicherheyt des hertzen: Sihe, meyn Gott, du hasst mich zum Fůrsten odder herren gesetzt, daran ich nicht kan zweyffeln. .. Steche, schlahe, wůrge hie, wer da kan, bleybstu drůber tod, wol dyr, seliglichern tod kanstu nymer mehr uberkomen, Denn du stirbst ynn gehorsam göttlichs worts und befelhs Ro. am 13. und ym dienst der liebe, [Rand: Röm. 13, 5 ff.] deynen nehisten zurretten aus der hellen und teuffels banden.“
Bloch hat auch ein Buch geschrieben: „Ernst Bloch – Thomas Münzer als Theologe der Revolution“ Lesenswert auch hier: http://www.kirchenlexikon.de/m/muentzer_t.shtml
Gruss Frank
Bei dem Thema fällt mir irgendwie auch Peter Rollins ein…
@Tobias.
http://www.bunchofnerds.de/failingforward/2010/02/18/nichts-sagender-glaube-peter-rollins-i/