„Bekehrung“ – ein radikaler Perspektivwechsel

In den letzten Tagen habe ich, angeregt durch Jonathan Sacks, viel über die Josephsgeschichte nachgedacht (einiges davon hat sich hier niedergeschlagen). Die Versöhnung am Ende ist ja recht spannend inszeniert von Josephs Seite und die Frage ist, warum er es den Brüdern erst so schwer macht.

Die beste Antwort darauf ist: Die Brüder brauchen einen Perspektivwechsel – einen Rollentausch, um sich selbst und Joseph zeigen zu können, dass sie nicht mehr die sind, die ihn damals fast umgebracht hätten und dann in die Sklaverei verkauften. Hätten sie geahnt, was für ein Lohn sie am Ende erwartet, hätte Joseph nie wissen können, ob ihren freundlichen Worten zu trauen ist. Vielleicht hätten sie selbst es nie mit letzter Gewissheit sagen können.

Mit den Vätergeschichten (die eigentlich mehr Geschichten von Konflikten zwischen Brüdern sind) beginnt die Geschichte Israels, der ein Perspektivwechsel schon dadurch eingeschrieben ist, als das Volk sich durch den Auszug aus der Sklaverei erst richtig konstituiert. Vor allem die Propheten werden daran immer wieder erinnern.

Kein Wunder also, wenn Jesus von seinen Zuhörern immer wieder einen Perspektivwechsel verlangt. Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter zeigt, dass die Frage, wer mein Nächster ist, den ich lieben soll wie mich selbst, ohne Perspektivwechsel gar nicht zu beantworten ist.

Vor ein paar Wochen stieß ich bei Zeit Online auf einen wunderschönen Bericht von einem radikalen Perspektivwechsel. Dudi Mizrahi, Hooligan aus dem ultraorthodoxen Jerusalemer Stadtteil Givat Schaul, freundet sich mit Arabern an und kämpft gegen Rassismus, seit er bei einer palästinensischen Familie in Nablus übernachtete. Eigentlich eine klassische Bekehrungsgeschichte – der Vergleich mit einer „Erweckung“ wird denn auch explizit gezogen.

Wenn man Bekehrung so versteht (und damit auch nicht in Konkurrenz zur Taufe oder einem allmählichen Hineinwachsen in den Glauben), dann wäre sie der ultimative Perspektivwechsel: Ich übernehme dauerhaft die Perspektive des Gekreuzigten, der Spott, Verachtung, Hass und Gewalt erleidet, weil er sich mit den Ausgeschlossenen, Ausgebeuteten und Abgemeldeten, den Verschmähten, Verleumdeten und Verworfenen identifiziert, weil er ihnen eine Stimme und Ansehen gibt und die Erinnerung an sie wach hält – vor Gott und der Welt. Der Gekreuzigte ist, um es mit Hannah Arendt zu sagen, einer derer, die nichts haben als die „abstrakte Nacktheit ihres Nichts-als-Menschseins“. Es bedeutet aber auch, Gott in den Gesichtern und Lebensgeschichten dieser Menschen sehen zu lernen.

Zu solchen Bekehrungen einzuladen wäre dann eine zutiefst christliche – und am heutigen Tag muss ich natürlich noch hinzufügen: zutiefst reformatorische – Angelegenheit. Immer und immer wieder. Dann wird irgendwann auch ein fröhlicher Wechsel draus.

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Ein Spalt breit Himmel

Als ich heute früh die Abendmahlsliturgie sprach, war plötzlich ein Geräusch im Raum zu hören. Ich konnte die Ursache nicht erkennen (ein Pfingstbrausen war es eher nicht), also ließ ich mich nicht beirren. Irgendwer wird den Knopf schon finden, um das abzustellen. Und so kam es: Das Geräusch hörte wieder auf.

Nach einer Weile jedoch spürte ich, wie mich frische, klare Oktoberluft von oben her streifte. Ich sah mich um und stellte fest, dass sich über mir die Oberlichter in der Decke geöffnet hatten. Man konnte durchschauen und den weiß-blauen Himmel sehen, etwas Sonnenlicht fiel herein und das Kunstlicht hatte sich abgeschaltet.

Hinterher dachte ich mir, das muss doch der Traum eines jeden Liturgen sein: Wir beten und über uns geht der Himmel auf. Alles wird frisch und klar. Wir sehen in einem anderen Licht.

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Bild: Paul Csogi / unsplash.com

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Putin, Punk-Prophetinnen und die „Powers that be“

Vor zwei Jahren erhielten die Aktivistinnen von Pussy Riot den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken, vergeben vom Senat der Freien Hansestadt Bremen und der Heinrich Böll Stiftung. In der Begründung dazu hieß es:

Bei ihrem Auftritt in der Moskauer Erlöserkathedrale riefen sie in ihrem „Punkgebet“ Mutter Maria als feministischen Beistand an, um das Bündnis zwischen der orthodoxen Kirche und dem Kreml zu bekämpfen. In dem Prozess, der gegen die Aktionsgruppe geführt wurde, verteidigten sie sich mutig. Aus der Lagerhaft heraus setzten Nadeshda Tolokonnikowa und Marija Aljochina ihren Widerstand fort. Nach ihrer Entlassung stellten sie sich als Aufgabe, über das System der russischen Straflager aufzuklären und Solidarität für die Gefangenen zu organisieren.

Interessant ist, wie sich Spiritualität und Politik hier verbinden. Ich wurde erst jetzt durch ein Kapitel aus Spiritual Activism von Alastair McIntosh darauf aufmerksam (danke an Thomas Zeitler für den Hinweis!). McIntosh zitiert aus den Erklärungen, die die Musikerinnen während ihres Gerichtsverfahrens abgaben. Auf den Seiten der FAZ ist das auszugsweise in Übersetzung nachzulesen. Und da zeigt sich, wie ernst und durchdacht die Aktion war, die in vielen Berichten nur als schriller Tabubruch und trotzige Provokation dargestellt wurde.

Pussy Riot Putin by AK Rockefeller, on Flickr
Pussy Riot Putin“ (CC BY 2.0) by AK Rockefeller

Marija Aljochina erklärte, dass Putin persönlich gar nicht gemeint war mit der Aktion, sondern ein System, dem der Machtmensch womöglich selbst verfallen ist:

„Wenn wir von Putin reden, meinen wir nicht in erster Linie die Person W. W. Putin, sondern Putin als das von ihm selbst erschaffene System – die praktisch vollkommen von einer Hand gelenkte Machthierarchie.“

McIntosh spricht hier vom „politischen Unbewussten“, das sich nur schwer explizit, dafür aber bildlich, symbolisch und intuitiv erfassen lässt, und greift den Begriff des autonomen Komplexes aus der Psychologie C.G. Jungs auf (Komplexe können bei Jung auch überindividuell auftreten, dann sind sie keine abgespaltenen, verleugneten Persönlichkeitsanteile, die es zu integrieren gilt, sondern ein gefährliches Phänomen). „Putin“ ist „ein mit Gefühlen aufgeladenes libidinöses Feld“, schreibt McInstosh. Der Politiker Wladimir Putin steht möglicherweise selbst unter dem Eindruck des Systems, das er installiert hat.

Und die Wirkung dieses Komplexes ist, dass Menschen resignieren und sich ohnmächtig fühlen. Erst gestern rätselte ich mit einem Freund darüber, warum der Widerstand gegen die Willkür der Regierung in Russland so unglaublich schwach ausgeprägt ist. Passend dazu sagte damals Aljochina:

Diese Leute haben aufgehört, sich als Bürger zu fühlen. Sie fühlen sich einfach als automatische Massen. Sie haben nicht einmal das Gefühl, dass ihnen der Wald direkt neben ihrem Haus gehört. Ich bezweifle sogar, dass sie ihr eigenes Haus als ihren Besitz betrachten. Denn wenn jemand mit dem Bagger am Hauseingang dieser Leute vorfährt und ihnen sagt, dass sie das Feld räumen müssen: „Entschuldigung, wir reißen Ihr Haus jetzt ab. Hier kommt jetzt ein Wohnsitz für einen Funktionär hin“, dann werden sie gehorsam ihre Sachen packen und auf die Straße gehen. Und sie werden da so lange sitzen bleiben, bis die Regierung ihnen sagt, wie es weitergeht. Sie sind vollkommen amorph – das ist sehr traurig.

Nachdem ich fast ein halbes Jahr im Untersuchungsgefängnis verbracht habe, ist mir klargeworden, dass das Gefängnis Russland im Miniaturmaßstab ist.

Die Macht des Systems ist (noch) ungebrochen, aber der Prozess gegen Pussy Riot hat es demaskiert, und sei es auch noch so punktuell und vorübergehend. Der Druck, sich durch ständige Propaganda selbst zu legitimieren, nimmt zu, und damit auch die Anfälligkeit für Fehler. Denn auch wenn die Nachfrage nach Augenöffnern derzeit nicht hoch ist – wer will, kann eben doch sehen, wie brüchig die Legitimation der Macht ist. Darauf weist Nadjeschda Tolokonnikowa hin:

Mit unserer Aufführung haben wir es gewagt, das visuelle Bild der orthodoxen Kultur ohne den Segen des Patriarchen mit der Protestkultur in Verbindung zu bringen, damit gescheite Menschen auf die Idee kommen, dass die orthodoxe Kultur nicht nur der russisch-orthodoxen Kirche, dem Patriarchen und Putin gehört. Sie kann auch auf Seiten der bürgerlichen Rebellion und der Proteststimmungen in Russland stehen.

[…] Im Vergleich zum Justizapparat sind wir nichts; wir haben verloren. Andererseits haben wir gewonnen. Die ganze Welt sieht jetzt, dass das Strafverfahren gegen uns manipuliert ist. Das System kann den repressiven Charakter dieses Prozesses nicht verbergen.

Das Gebet in der Kathedrale war aber auch ein prophetischer Weckruf an die orthodoxe Kirche, die korrupte Politik verklärt und von der Nähe zur Macht profitiert, dafür steht Patriarch Kyrill, dessen Vermögen 2012 auf 4 Milliarden Dollar geschätzt wurde. Der Patriarch war entsprechend empört über die Respektlosigkeit dieser Ruhestörung und sprach von Blasphemie. Die Punk-Prophetinnen hingegen wiesen darauf hin, dass ihr Gebet – ganz im Gegenteil – höchst aufrichtig und ernst gemeint war.

Eine zeitgemäße Form der Tempelreinigung ragt also unter den wenigen Protesten gegen das „Putin-System“ oder den „Putin-Komplex“ heraus. Das spricht für McIntoshs Vermutung, dass Glaube und Spiritualität eine wichtige Dimension im politischen Ringen um Gerechtigkeit darstellen. Bei Gene Sharp vermisst er diese Hinweise. Srdja Popovic greift lieber auf Kunstmythen zurück (das hat, wie Terry Eagleton zeigt, der deutsche Idealismus nach der Aufklärung auch versucht). Und in Philipp Ruchs „Wer, wenn nicht wir“ ist diese spirituelle Leerstelle überall mit Händen zu greifen und durch kein anderweitig generiertes Pathos so recht zu ersetzen.

Davon lässt sich doch sicher lernen. In den letzten Monaten haben sich genügend autonome Komplexe bemerkbar gemacht, die den inneren und äußeren Frieden gefährden. Können wir Protestanten neben den bürgerlichen Protestformen (die wir auf der Ebene moralischer Appelle ja vielfach unterstützen) auch prophetische, und lässt sich das ökumenisch ausweiten?

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Wenn Donald Trump Paulus zum Sprechen bringt

Eine der neuen Erfahrungen meines Vikariats ist das strikte Predigen nach der Perikopenordnung. Die Frage ist für mich nicht, welchen Text ich predige, sondern nur noch wie. Über Vor und Nachteile dieser Regelung ließe sich so Manches sagen, aber als Übung ist es eine feine Sache. Zumal die aktuelle Epistelreihe etliche Stücke enthält, die ich selbst nie ausgewählt hätte, weil sie oft recht spröde und unanschaulich ausfallen. Aber selbst dann stellen sich unerwartete Entdeckungen ein, wie ich inzwischen mehrfach erlebt habe.

Case in Point: 1.Thess 4,1-8 vom 20. Sonntag nach Trinitatis. Der Autor einer Predigthilfe kam zu folgender Überzeugung:

Der Text erreicht mich sowohl als Prediger wie als Christ weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick.

Und etwas weiter unten heißt es:

Spätestens an dieser Stelle war mir klar, dass man diesen Text nicht predigen kann.

Was der Autor nicht vorhersehen konnte: Manchmal liefert einem ja die Tagespresse den Resonanzboden frei Haus. Diesmal in Form von Donald Trumps Skandalinterview aus dem Jahr 2005, das am nämlichen Wochenende die Schlagzeilen beherrschte. Damit, dass er seine Geschäftspartner über den Tisch zieht, prahlt er ja schon, seit er „The Art of the Deal“ hat schreiben lassen. Eigentlich könnte man die Predigt nun so nennen:

Was würde Paulus zu Donald Trump sagen?

Freilich wäre Trump selber relativ uninteressant. Er sitzt ja nicht vor mir. Wahrscheinlich habe ich auch nicht viele seiner Sympathisanten in den Kirchenbänken sitzen. Aber wir haben eine gesellschaftliche Debatte über Sexismus, auf die sich Bezug nehmen ließe, wir können über gerechte und ungerechte Geschäftspraktiken und Handelsbeziehungen reden und wir können fragen, was ein achtsamer und empathischer (oder in biblischer Sprache: ein barmherziger) Umgang miteinander in einer Partnerschaft und im Wirtschaftsleben für einen Gewinn und Fortschritt bedeuten würde. In jedem Fall wäre klar, wie aktuell und brisant die Themen sind, die Paulus hier anreißt.

Wer es noch etwas zeitloser und philosophischer möchte, kann über Martin Bubers Unterscheidung von Ich/Du und Ich/Es als Grundmodus des Umgangs mit anderen sprechen. In welche Richtung Paulus uns weist, liegt auf der Hand.

Aktuelles und Grundsätzliches, in ein paar Zeilen verdichtet, an ein paar kurzen Beispielen verdeutlicht – kann man sich als Prediger eigentlich mehr wünschen?

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Sinnliche Solidarität, oder: Was Gerechtigkeit mit Genuss zu tun hat

Ich hätte mir das Thema nicht ausgesucht, aber jemand aus der Runde interessierte sich für den „Zehnten“. Also lasen wir beim Propheten Maleachi (3,10) und dann Deuteronomium 14,22-29. Welch ein Kontrast! Während der Prophetentext eher plump für eine Art Tempelabgabe mit Payback-Punkten oder Dividende wirbt und sich dabei nicht scheut, an das berechnende Wesen der Spender zu appellieren, klingen im Pentateuch ganz andere Töne an. Vielleicht ist das der Grund, warum so selten darüber gepredigt wird und auf den Kanzeln und an den Rednerpulten meistens die Konkurrenz aus der Zeit des zweiten Tempels das Rennen macht.

Aber bevor jemand hier aufhört zu lesen, weil er Kirchenfinanzierung für ein dröges Thema hält: Es geht im Folgenden um nichts weniger als zwei ganz unterschiedliche Vorstellungen von Gott, von menschlichen Beziehungen und dem Umgang mit mir selbst.

Bei Maleachi braucht Gott, kurz gesagt, Geld für den Tempel und verspricht den potenziellen Spendern im Gegenzug vermehrten Segen. Ein gefundenes Fressen für die Verkünder des Wohlstandsevangeliums, die ihn genau so verstehen: Do ut des. Wohlwollender wäre die Interpretation, dass es sich um einen Appell gegen Mangelmentalität und Knauserigkeit handelt und eine Art sportlichen Wettbewerb in Sachen Großzügigkeit, den Gottes Fundraiser hier vorschlägt.

Die Anweisungen aus der Zeit des ersten Tempels zeichnen ein anderes Bild. Die Israeliten sollen ein Zehntel ihrer Ernteerträge beiseite legen, und wenn der Weg zum Heiligtum zu weit ist oder die Gaben zu schwer, dann soll das Ganze zu Geld gemacht werden. Und dann lautet die Anweisung in Dtn 14,26 (zitiert nach Buber/Rosenzweig):

… gib das Geld aus für alles, wonach deine Seele lüstet, für Pflugtier, für Kleinvieh, für Wein, für Rauschsaft, für alles, was deine Seele von dir verlangt, iß dort vor SEINEM deines Gottes Antlitz, freue dich, du und dein Haus, und der Lewit, der in deinen Toren ist, ihn verlasse nicht

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Foto: Jay Wennington, unsplash.com

Ein ausgelassenes Festessen findet statt, bei dem der Alkohol reichlich fließt und zu dem neben der Familie auch die Leviten eingeladen sind, die keinen Grundbesitz haben – Lust und Sinnlichkeit stehen im Vordergrund. Jedes dritte Jahr entfällt der Weg zum Heiligtum, das Fest findet am Wohnort statt, dafür sind nun neben den Leviten auch Witwen, Waisen und Fremdlinge mit am Tisch. Allmählich beginne ich zu ahnen, was Paulus mit seinem „fröhlichen Geber“ im zweiten Korintherbrief wohl gemeint haben könnte: Einen Wohltätigkeitsrausch, eine Sozialparty, einen Umverteilungsschmaus.

Teilen ist mehr als mir selbst einen Genuss zu versagen um einem anderen zu helfen. Freilich wird auch hier etwas nicht konsumiert, sondern auf die Seite gelegt, aber dann verschwindet das Ersparte nicht sang- und klanglos. Sondern es wird mit viel Sang und Klang geteilt, und zwar nicht anonym, sondern ganz konkret mit Menschen, deren Gesicht ich beim gemeinsamen Mahl sehen kann, und denen ich auf den Straßen meiner Stadt begegne. Diese sinnliche Praxis des Teilens setzt Beziehungen voraus und begründet neue. Hier liegt der Unterschied zu heutigen Benefizgalas, bei den die Betuchten unter sich und die Armen außen vor bleiben.

Die Mentalität des Mangels und das Denken in Defiziten wird also anders angepackt als mit dem Verweis auf zukünftigen Segen (oder eine Belohnung im „Himmel“). Durch das Sammeln und Sparen wird eine Situation des momentanen Überflusses erfahrbar, in der das Teilen leicht fällt und sich mit intensiven, guten Erinnerungen verbindet. Und wenn es gut läuft, dann spüren alle Beteiligten, dass der Gewinn den Verzicht oder Verlust mehr als aufwiegt. Vielleicht muss man dann auch die Gier weniger beklagen und die Not weniger dramatisieren (beides ist zweifellos vorhanden, der Appell nützt sich jedoch ab).

Ein genussfeindlicher Gott hingegen inspiriert mich nur schwer zur Großzügigkeit. Und ein unpersönliches, abstraktes und zahlenbasiertes Finanzierungssystem für eine Institution (zumal eine, die sich auf den Gott Israels und Jesu Christi beruft!) ist womöglich nicht das ideale Mittel, um bei Wohlstandsbürgern die Taschen der Spendierhosen zu öffnen. Es löst bei vielen erst einmal einen unschönen Steuervermeidungsreflex aus und es produziert nach innen häufig auch eine Mentalität des Mangels, weil die Zuteilungen und Umlagen mühsam verhandelt werden müssen und weil jede Form der Großzügigkeit im System den empörenden Verdacht der ungerechten Bevorzugung auslöst. Egal, wie die Haushaltslage tatsächlich aussieht – gefühlt schrumpft dieser Kuchen immer.

Ich habe nach der Lektüre von Dtn. 14 beschlossen, mir diesen sinnenfreundlichen Gott ausgiebig zu Herzen zu nehmen. Wenn es noch ein paar von euch machen, dann kann man irgendwann vielleicht auch mal über einen Systemwechsel reden. Und wenn jemand bei diesem Stichwort die Panik befällt, dann wäre auch das ein guter Grund, das Gottesbild in den Blick zu nehmen.

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