Ungeaigneter Vorschlag

Unsere Staatsregierung koaliert ja nach eigenen Angaben mit dem Volk. Den Koalitionsvertrag hat sie natürlich einseitig entworfen und alleine „unterschrieben“. Nach Horst Seehofer übt sich nun auch seine gelehrige Kronprinzessin Ilse Aigner im „Koalieren“: Sie will die Sommerzeit abschaffen – per online-Petition.

Natürlich könnte die CSU-Fraktion im Landtag einen Antrag einbringen, besser freilich noch im Bundestag – obwohl Bayern als autonome Zeitzone natürlich ein großartiges Symbol dafür wäre, dass im Machtbereich der Christsozialen „die Uhren anders gehen“. Bisher ging ich, naiv wie ich bin, davon aus, solche Themen würden im Parlament diskutiert und entschieden.

Offenbar ist das Ganze aber ein Manöver im Europa-Wahlkampf, das das Robin-Hood-Image der Partei nach dem peinlich schlechten Abschneiden bei den Kommunalwahlen aufpolieren soll. Es zielt auf all die geschundenen Seelen, die sich in ihrem fragilen Biorhythmus von der Zeitumstellung wochenlang aus der Bahn geworfen fühlen. Freilich fliegen dieselben gar nicht armen Seelen in ferne Länder, um sich dort trotz des vielfachen Zeitunterschieds prächtig zu erholen und schon nach vierzehn Tagen nehmen sie denselben wieder klaglos in Kauf, um am nächsten Tag daheim wieder arbeiten zu gehen.

Frau Aigner hat im Namen all dieser Opfer von Eurobürokratie und Behördenwillkür nun an die EU appelliert, die Sommerzeit abzuschaffen. Wenn am kommenden Wochenende wieder Tausende betrauern, dass ihnen eine Stunde kostbarer und verdienter Schönheitsschlaf geraubt wurde, dann werden sie sich an Aigner und die CSU erinnern, die in diesem unübersichtlichen Gebilde die einzigen Menschen sind, die ihren momentanen Kummer verstehen. Wer sich derart selbstlos und heroisch für das Wohl seiner Bürger einsetzt, darf natürlich auf dankbaren Zuspruch bei der anstehenden Europawahl hoffen.

Ich schlage als Antwort zwei Online-Petitionen vor:

  1. Der Missbrauch von Online-Petitionen sollte Regierungsmitgliedern verboten werden. Das ist ein Instrument für Bürger und muss es auch unbedingt bleiben.
  2. Schaffen wir bitte die Winterzeit ab! Ich liebe die langen Sommerabende, verzichte gern auf Sonnenaufgänge morgens um vier im Juni und habe gar nichts dagegen, die Uhr auch im Winter nicht mehr zurück zu stellen.

Kleiner Nachtrag: In Iphofen habe ich heute ein Plakat der CSU gesehen, auf dem stand: „Lieber christlich und sozial als frei und …?“ Nein, danke. Ich wäre erst einmal gern frei – zum Beispiel von solchen plumpen Bauernfängereien. Und für das ominöse „…“ kommen mir dann bestimmt ein paar gute Ideen.

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