Seit ein paar Tagen liegt Christentum 2.0 von Yan Suarsana auf meinem Schreibtisch, der Untertitel lautet „Pfingstbewegung und Globalisierung“. Der Autor ist Assistent am Lehrstuhl für Reformationsgeschichte und neuere Kirchengeschichte in Heidelberg, und im Unterschied zu vielen anekdotenhaften oder (selbst innerhalb der verschiedenen Flügel des Pentekostalismus) sehr divergierenden Darstellungen behandelt er sein Thema auch methodisch sehr durchdacht.
Im ersten Teil geht es um die Frage, wie die Pfingstbewegung definiert und beschrieben werden kann. Suarsana verwirft frühere Ansätze, die versucht haben, bestimmte theologische Konzepte oder Phänomene zum entscheidenden Kriterium dafür zu machen, wer dazu gehört und wer nicht. Vor allem die Theologie ist fluider und kurzlebiger als in anderen Kirchen und Konfessionen, ähnlich die Organisationsformen. Eine essentialistische Beschreibung in dem Sinne, dass es einen stabilen, gleichbleibenden Wesenskern gibt, aus dem heraus sich alles entfaltet, wird der Dynamik und Vielfalt nicht gerecht
Er zieht den Vorschlag von Michael Bergunder vor, der den Pentekostalismus als „internationales diskursives Netzwerk“ beschreibt, „die das inhaltliche Konzept Pfingstbewegung unentwegt untereinander verhandeln“. Dazu kommt noch einen diachrone Vernetzung, die einen Bezug auf die Anfänge der Pfingstbewegung herstellt (die nicht nur in der „Azusa Street“ liegen, sondern in den Revivalism des 19. Jahrhunderts zurück reichen), in dem Sinne, dass das heutige Netzwerk sich aus Vorläufern entwickelt hat, die eine in diese Anfangszeit zurückreichende Kette bilden. In dieser Offenheit und Fluidität entspricht die Pfingstbewegung dem, was Suarsana mit Roswith Gerloff als „Religionen in Bewegung“ bezeichnet – transkulturelle Gebilde, die sich ständig verändern. Bestimmte Praktiken und Phänomene sind dann kein klares Kriterium, sondern nur noch ein Indiz für eine mögliche Zugehörigkeit zu dieser Bewegung.
So betrachtet ist man also also auch Pfingstler, wenn man etwa zu einem „Kreis Charismatischer Leiter“ gehört (wo das „das inhaltliche Konzept Pfingstbewegung“ verhandelt wird), ohne dort (als „Postcharismatiker“ etwa) notwendigerweise die – ohnehin uneinheitlichen – politischen und theologischen Ansichten der anderen Mitglieder zwingend zu teilen.
Ok. „Religion in Bewegung“ und „diskursives Netzwerk“ klingt erst einmal interessant. Muss ich mir nochmal überlegen…