Zeit Online haut „Jesus House“ medial in die Pfanne und zeichnet alte Karikaturen Evangelikaler zum wiederholten Male unkritisch nach. Natürlich gibt es unter diesem unübersichtlichen Label alles Mögliche – von stramm rechten Law-and-Order Betonköpfen und Bibelfundis, die mit der pluralistischen Gesellschaft mehr oder weniger auf Kriegsfuß stehen, bis hin zu sehr reflektierten und differenzierten Charakteren, die sich konstruktiv verhalten und partnerschaftlich mit Andersdenkenden umgehen. Aber (und das zeigt ja auch das in dem Artikel konkret beschriebene Beispiel) bei Jesus House überwiegt eben ganz eindeutig die weltoffene, progressive Fraktion.
Für die evangelikale Bewegung ergeben sich daraus m.E. zwei Fragen: Ist erstens eine klarere innere Differenzierung nötig, eventuell auch eine klare Abgrenzung nach „rechts“, damit nicht ständig die einen für die Sünden der anderen bestraft werden. Müssten als die Progressiven eine eigene Fahne ausrollen und mal deutlich sagen, wofür sie stehen und wofür nicht? Müsste man bei so einem „Angriff“, den man möglicherweise als unfair empfindet, nicht eher auseinander- als zusammenrücken?
Die weite Frage stellt sich im Blick auf den Islam: Da leidet die Diskussion unter denselben Unschärfen, und auch die ergeben sich aus der losen Organisationsform. Nun verfahren viele Christen (und vor allem viele Evangelikale) mit den Muslimen genau so, wie Zeit Online mit den Evangelikalen. Das müsste nun wirklich zu denken geben. Tut es aber leider nicht bei jedem.
Freilich könnte man ja auch von Journalisten erwarten, dass sie mit Muslimen und Evangelikalen gleichermaßen sorgfältig und differenziert umgehen und alarmistische Schlagzeilen meiden. Sie nutzen in jedem Fall eher den Sturköpfen und Hardlinern.