Undenkbar?

Who would have imagined, five years ago, that the best signs of life and hope would be coming out of these old Christendom churches, these hierarchies and structures that most of the new future seekers were ready to write off as irrelevant? We are at the end of a chapter in Western history when no one can predict or control what might be fermenting in the neighborhoods and communities where people are struggling to make do and God’s people are salt and light.

Alan Roxburgh von Allelon in einem spannenden Blogpost zu überraschenden Aufbrüchen in alten Kirchen, namentlich die Fresh Expressions der Anglikaner und Methodisten, und die Schwierigkeit von Prognosen auf der Grundlage dessen, was wir schon/noch wissen im „Zeitalter des Undenkbaren“ – angeregt durch ein Buch des Journalisten Joshua Cooper Ramos, das demnächst auch auf Deutsch erscheint.

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Taktische Entschuldigungen

Vor ein paar Monaten hatte ich eine etwas heftigere Auseinandersetzung mit jemandem. Am Ende des Gesprächs, in dem mir einige Drohungen um die Ohren geflogen waren, entschuldigte sich mein Gegenüber: „Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe“. Hatte er, und ich hatte das auch gesagt, nur die drohenden Worte wurden in dem Zusammenhang weder erwähnt noch zurückgenommen. Ich hatte das Gefühl, die unbestimmte Entschuldigung war eher als ein Anreiz an mich gedacht, mich meinerseits zu entschuldigen und dabei hoffentlich auch von meiner Position (von der ich nach dem Gespräch überzeugter denn je war) abzurücken.

Es gibt solche Entschuldigungen, die nur allzu deutlich verraten, dass der, der sie äußert, noch gar nicht verstanden hat, womit er andere verletzt oder ungerecht behandelt hat. Etwa die von Günter Oettinger, der sich nicht für seine missglückte Grabrede für Hans Filbinger, sondern lediglich deren Wirkung entschuldigt hat. Wenn ich dem anderen zu verstehen gebe, dass das eigentliche Problem aus meiner Sicht nicht mein Handeln, sondern seine Reaktion war (und das kann, wenngleich sicher nicht bei Oettinger, ja auch in dem einen oder anderen Fall zutreffen), dann sollte ich mich dafür nicht entschuldigen. Ein „tut mir leid, dass du dich so aufregst“ ist dann nur eine weitere Beleidigung.

Wirklich entschuldigen und um Vergebung bitten kann ich erst dann, wenn ich verstanden habe, was den anderen verletzt hat und meinen Fehler in der Angelegenheit sehen kann – selbst wenn es nur eine Teilschuld ist. Dass jemand etwas an mir auszusetzen hat und sich über eine Entschuldigung freuen würde, ist allein noch kein Grund. So verständlich das Bemühen im einen oder anderen Fall sein mag, Spannungen, deren Ursache man noch nicht durchschaut, durch eine „Entschuldigung“ zu vermindern: Wirklich auf dem Weg der Besserung ist eine Beziehung erst dann, wenn zu dem Bedauern über den Konflikt die Einsicht und der Wille zur Veränderung dazu kommt. Geduldiges Nachfragen hilft da im Zweifelsfall mehr.

Ich habe mir beim Nachdenken darüber vorgenommen, mich vielleicht in Zukunft seltener zu entschuldigen, aber dann richtig.

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Waldgeister

„Mein“ Wald war schon immer ein mystischer Ort. Wenn ich auf der Suche nach Stille und Inspiration war, fand ich sie dort oft genug. Die Bäume entlang meiner Laufstrecke kennen vermutlich mehr von meinen intimsten Sorgen als der eine oder andere Freund. Natürlich rede ich nicht mit den Bäumen. Aber manchmal denke ich, sie hören mit.

Seit heute hat das Mysterium Wald eine neue Dimension. Ich ging bei immer noch über 25 Grad und gefühlten 3000% Luftfeuchtigkeit auf die Laufrunde und kurz vor der Hälfte begegnete mir ein Geist. Er trug einen schwarz-roten Trainingsanzug mit langen Hosen und langärmliger Jacke und auf dem Kopf eine Schirmmütze. Und trotz der dicken Kleidung lief ihm anscheinend kein Tröpfchen Schweiß über das Gesicht. Was beweist, dass es ein Geist gewesen sein muss. Hätte ich einen Spiegel dabei gehabt, er wäre darin nicht aufgetaucht.

Wer nun meint, ich hätte ein getrübtes Bewusstsein aufgrund der Hitze oder einer FSME-Infektion in Folge eines Zeckenbisses – mein Pulsmesser zeigte keine Auffälligkeiten an. Ich hatte wohl auch das eine oder andere Flugobjekt ins Auge bekommen, aber mein Blick war immer noch klar. Außer Erdbeerkuchen vom Nachmittag hatte ich auch nichts im Magen.

Es muss also ein geist gewesen sein. Denn ich glaube nicht an Aliens, das ist unbiblisch. Und nicht daran (obwohl viele das vermuten), dass Siemens schon längst Roboter erfunden hat, die von echten Menschen nicht zu unterscheiden sind. So weit ich weiß, haben sie in Stepford keine Niederlassung…

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Kein Buchhaltergott

„Nicht ein einziger Brief wurde zugunsten von Mr. Madoff eingereicht. Keine Freunde, keine Familienangehörigen. Das sagt viel aus.“ So lautet das Fazit des Richters im größten Betrugsprozess der Geschichte. Der Bericht des Spiegel trägt den Titel „Möge Gott dir keine Gnade gewähren“ – die Worte stammen von einem der vielen Menschen, deren wirtschaftliche Existenz Madoff zerstört hat. Wenn das nächste Mal das Gleichnis von Schalksknecht zur Predigt ansteht, bietet sich dieser Vergleichspunkt für die Höhe und Dreistigkeit des Betrugs durchaus an.

Es gibt also nach wie vor diesen Sachverhalt der – finanziellen wie moralischen – Schuld. Und wie zu Jesu Zeiten kann das einen Menschen auch die Freiheit kosten. Madoff muss 150 Jahre hinter Gitter, er wird im Gefängnis sterben.

Am selben Tag las ich bei Anselm Grün zum Thema Erlösung und der Frage, wie die biblischen Bilder für die Erlösung durch Jesus heute verstanden werden können, den folgenden Satz:

Der Blick in die Finanzwelt war offensichtlich für Jesus selbst und die biblischen Autoren eine Hilfe, das Geheimnis der Vergebung und Erlösung von Schuld zum Ausdruck zu bringen. Was finanzielle Schulden sind, weiß heute jeder. Und oft genug drücken diese Schulden. Manchmal sind sie so hoch, dass sie sich nicht zurückzahlen lassen (…) Gott erweist sich am Kreuz nicht als Buchhalter, der über unsere Schulden Buch führt, sondern als großzügiger Geldverleiher, der uns unsere unbezahlbare Schuld erlässt.

Man muss gar keine Milliarden wie Madoff veruntreuen. Manches, was ich anderen zufüge oder schuldig bleibe, lässt sich nicht wieder gut machen, zumal nicht mit Geld – ob das nun körperlicher, seelischer oder sozialer Schaden ist. Manche verpasste oder verpatzte Gelegenheit, Gutes zu tun und sich für das richtige einzusetzen, kommt kein zweites Mal.

Die Geschichte vom Schalksknecht kehrt sich im Fall Madoff aber auch irgendwie um: Früher oder später stehen die Geschädigten, die ihm jetzt die Pest an den Hals wünschen, vor der Frage, ob sie zur Vergebung bereit sind (und so auch selbst frei werden von der Fixierung auf dieses Unrecht und dessen Folgen).

Soll nun der kleine Fisch dem Großen vergeben, der Unschuldige (oder nur-ein-kleines-bisschen-Schuldige) dem über alle Maßen Schuldigen? Nicht im Sinne von Straffreiheit vor der Justiz, aber wenigstens so weit, dass man die persönliche Anklage fallen lässt und Madoff wieder als Mitmenschen sieht? Vielleicht hilft das klare Gerichtsurteil ja dabei. Allerdings: Ein Schritt dahin könnte eben diese Einsicht sein, dass Madoffs Schuld zwar vom Ausmaß her alles Bisherige in den Schatten stellt, qualitativ aber eben auch nur das ist, was wir „Normalos“ alle in der einen oder anderen Form kennen: ein Schaden, den wir nicht aus eigener Kraft (und weil „unbezahlbar“ auch nicht mit unserer Kreditkarte) wieder gut machen können.

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