Neue Fragen, alte Einsichten – oder doch nicht?

Unter dem Titel Der neue Mensch trägt Matthias Mattusek die aktuellen Versuche einiger Intellektueller zusammen, die richtigen Konsequenzen aus der Wirtschaftkrise zu ziehen. Schon interessant, was dort gedacht wird.

Natürlich klingt der Titel erst einmal nach paulinischer Paraklese. Andererseits kann man auch mit Dietrich Dörner argwöhnen, dass der Ruf nach dem „neuen Menschen“ daher rührt, dass die eigenen politischen Konzepte (konkret nennt er den Kapitalismus, der zum Egoismus degeneriert und den Sozialismus, der Lethargie verursacht) gescheitert sind und man nun nicht deren falsche Prämissen in Frage stellt, sondern beklagt, die Menschheit sei dafür noch nicht reif.

Doch Ralf Dahrendorf scheint eher die paulinische Denkrichtung zu wählen, wenn er eine Rückkehr zur protestantischen Arbeitsethik fordert, wie Max Weber sie klassisch definiert hat: Bedürfnisaufschub, Disziplin, Pflicht und Dienst als Gegenstück zum bisherigen Hedonismus, der in Verbindung mit dem Pumpkapitalismus für die Krise ursächlich verantwortlich ist.

Wolfram Weimer, der Chefredakteur von Cicero, spricht ähnlich eindringlich von „Glaube statt Gold“, Familie, Sparsamkeit und Bescheidenheit – eine Art „neuer Bürgerlichkeit“. Radikaler denkt Peter Sloterdijk, der eine Abkehr von den bisherigen Exzessen der Weltgesellschaft fordert und Künstler, Mönche und Asketen zum Prototypen des neuen Menschen werden, dessen Kampf nicht um ein größeres Stück des immer begrenzteren Kuchens geführt wird, sondern sich gegen die eigenen ausufernden Ansprüche und Bedürfnisse richtet.

Was ich mich beim Lesen gefragt habe, war nun dies: Haben diese drei Autoren eigentlich selbst umgedacht aufgrund der Krise, oder haben sie diese nur zum Anlass genommen, ihre bisherigen Ansichten wieder aufzuwärmen und neu in Umlauf zu bringen? Ich bin mir nicht sicher. Aber mir wäre wohler beim Lesen, wenn letzteres der Fall wäre. Sie werden dadurch nicht richtiger, aber irgendwie einen Tick glaubwürdiger.

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