Das Gender-Thema bzw. dessen eigentümliche Behandlung in bestimmten Teilen des bunten christlichen Kosmos bewegt die Gemüter in meinem Bekanntenkreis. Krish Kandiah setzt sich hier mit Tim Keller auseinander, ein anderer Repräsentant der „Gospel Coalition“ hat Michael Frost beschäftigt, der auf einen Blogpost von Michael Bird verweist, es ist kein Geringerer als John Piper.
Geht es vielfach (etwa in der katholischen Kirche) nur um die Frage, ob Frauen Pfarrerinnen werden dürfen oder Bischöfinnen, so steht hier bei Piper die Stellung der verheirateten Frau ihrem Ehemann gegenüber im Zentrum. Piper musste eine Aussage aus diesem Video klarstellen, in der er auf die Frage, was eine Frau denn tun solle, wenn ihr Ehemann sie misshandelt, geantwortet hatte, sie müsse das hinnehmen (sofern der Mann sie nicht zu verbotenen Dingen zwingen wolle) und könne sich ja gegebenenfalls an „die Gemeinde“ wenden, deren Aufgabe es dann sei, den Ehemann zur Ordnung zu rufen.
In seiner Klarstellung schreibt Piper nun, dass sich freilich auch Männer an die staatlichen Gesetze halten müssten und Frauen daher zu ihrem Schutz auch die Behörden hinzuziehen könnten, ohne sich der Insubordination schuldig zu machen. Das ist, so vermerkt Bird, schon mal erfreulich.
Aber ist es auch genug? Doch eher nicht! Piper schreibt unter anderem (zitiert bei Bird): „Dass sich eine Frau um Christi willen dem bürgerlichen Recht unterordnet, kann ihre Unterwerfung unter die Forderung eines Ehemanns aufheben, sich von ihm verletzen zu lassen.“
Ich finde dieses Denken in vertikalen Autoritätsstufen verstörend. Piper sagt doch im Grunde, dass eine Frau unter dem Mann steht und diesem selbst dann, wenn sie in der Beziehung Schaden nimmt, noch zu folgen hat – es sei denn, eine höhere Instanz greift zu ihren Gunsten ein. Aber er sagt eben kein Wort davon, dass Frauen von sich aus ihren Männern Grenzen setzen dürfen und dass Männer diese Grenzen zu respektieren haben.
Wenn Frauen dieses Unterwerfungsdenken einmal verinnerlicht haben, kann man dann (nach allem, was wir über Missbrauch wissen) noch ernsthaft davon ausgehen, dass sie sich im Fall von psychischer oder physischer Misshandlung durch das Familienoberhaupt tatsächlich an die Polizei wenden oder anderweitig Hilfe suchen? Mir scheint das alles andere als sicher.
Aber in einer postmodernen, pluralen Gesellschaft sind eben viele Lebensentwürfe erlaubt. Und die Bestsellerlisten des Buchhandels verraten ja auch, dass Unterwerfung und bewusst zugefügter Schmerz schwer im Trend liegen. Das jetzt psychologisch auszudeuten überlasse ich lieber den Expertinnen. Die Ironie an der ganzen Sache könnte aber eben die sein, dass diese Art von Theologie gerade von dem lebt, was sie vordergründig bekämpft, nämlich dem modernen Relativismus, der diese patriarchalischen Welten aufs Private begrenzt und die Tür zu einem Ausstieg auch ständig offen hält. So bekommt das alles etwas Spielerisches, und vielleicht sollte man es auch so betrachten, dann erspart man sich die Empörung.