Immer wieder gab es Momente bei den Straßenexerzitien, in denen jemand aus der Gruppe das Gefühl hatte, einem Engel begegnet zu sein. Freilich ist so ein Satz erklärungsgbedürftig. Ich meine ihn nicht metaphysischen Sinn – Himmelswesen, Lichtgestalten, Erscheinungen – sondern in dem anderen, ebenso biblischen Sinn des eher unscheinbaren Boten, der eine wichtige Nachricht überbringt.
Wie kann man sich das vorstellen? Ist es legitim, so menschlich von Engeln zu reden? Und nimmt man Menschen wirklich ernst, wenn man das tut?
Nehmen wir einmal an, wir sind Teil einer Filmcrew bei ihren Dreharbeiten. Und plötzlich stolpert irgendein ahnungsloser Passant in das Filmset, der irgendetwas sagt oder tut und dann ebenso plötzlich wieder verschwindet. Von der Handlung des Films hatte er keine Ahnung und was er tat, hatte im Kontext seiner eigenen Gedanken und Geschichte vermutlich einen ganz anderen Sinn, den wir vermutlich nie herausfinden werden.
Aber irgendwie gibt dieser ungeplante Auftritt der Szene einen überraschenden Kick. Vielleicht wirkt er sogar wie ein Verweis auf ein Motiv, das schon einmal da war oder auf ein Element der Handlung, das erst noch kommt. Statt sie also neu zu drehen, beschließt die Regie, sie einfach drin zu lassen.
Wenn jemand so in meine Lebensgeschichte hineinstolpert und etwas sagt oder anstößt, das für mich eine wichtige (wenngleich vermutlich andere) Bedeutung hat als vielleicht beabsichtigt, und wenn ich die Szene nicht herausschneide, sondern mich anregen, verunsichern oder ins Staunen und Fragen bringen lasse, dann war das so eine Engelsbegegnung.