Stefan Klein schreibt in seinem neuen Buch Der Sinn des Gebens vom Streit der Verhaltensforscher über egoistische und altruistische Motivation. Uneigennütziges Verhalten wurde so lange angezweifelt und spekulativ hinterfragt, bis es endlich auch egoistisch erschien. Verdächtig war dabei vor allem, wenn die Leute das Gute gern taten. Klein zitiert einen Evolutionsbiologen, der sagt: „Kratze einen Altruisten und du siehst einen Heuchler bluten.“ Letzten Endes, unterstellen die Zyniker, sei es selbst jemand Mutter Theresa nur um sich und die eigenen Vorstellungen und Werte gegangen – am Ende will sie ja auch nur in dem Himmel kommen.
Mich hat die Diskussion daran erinnert, wie im Spätmittelalter und während der Reformation darüber nachgedacht wurde, ob in einem sündigen Menschen denn etwas Gutes stecken könnte, oder ob nicht gerade die vordergründig guten Taten nur die allerraffinierteste Verkleidung menschlicher Gottlosigkeit seien. Die Argumente gleichen sich doch stark, auch wenn damals natürlich menschliche Schuld und Erlösungsbedürftigkeit bewiesen und Heilsgewissheit erreicht werden sollte. Die anderen hängen nicht dem Dogma von der völligen Verkommenheit des Menschen, sondern Herbert Spencers liberaler Idee vom Survival of the Fittest an – und leiten daraus alle möglichen anderen „natürlichen“ Verhaltensweisen ab.
Dann musste ich an den barmherzigen Samariter denken und wie Jesus keine Anstalten unternahm, dessen Motivation zu sezieren und ein sündiges Haar in der wohltätigen Suppe zu suchen. Der Mann hat einfach das richtige getan. Und Jesu Fazit lautet: Mach es ihm nach.
Klein sagt, die Frage nach der Motivation lässt sich gar nicht schlüssig beantworten. Die Menschen, die (manchmal sogar heldenhaft) selbstlos handeln, wissen oft selbst nicht genau, warum sie das tun. Vielleicht ist das auch gut so.