Ich habe Barbara Hagerty-Bradleys Fingerprints of God schon ein paarmal erwähnt. Kürzlich habe ich ihr Kapitel über „spirituelle Virtuosen“ gelesen. Darin wird der Unterschied zwischen kontemplativer und charismatisch-pfingstlicher Spiritualität kurz beleuchtet, allerdings nicht von der theologischen Seite (dazu gibt es ja genug Literatur), sondern aus der neurobiologischen Perspektive.
Wenn etwa franziskanische Nonnen meditativ beten, dann steigt die Aktivität in den Stirn- oder Frontallappen des Gehirns, während es in den Parietal- oder Scheitellappen ruhiger wird. Letztere dienen unter anderem der Orientierung, was vielleicht auch erklärt, dass Meditation oft als ein Verbundensein oder Einswerden (die unio mystica) mit Gott empfunden wird.
Den umgekehrten Zustand fanden die Hirnforscher bei Christen aus der Pfingstbewegung, die das Sprachengebet oder Glossolalie praktizierten. Dabei nimmt die Aktivität im Frontallappen stark ab, der die Aufmerksamkeit bündelt und in dem sich willentliche Entscheidungen abspielen, und die Parietallappen werden aktiv: Ein Zeichen dafür, dass die Person die Kontrolle aufgegeben habe. Glossolalie klinge zwar wie eine „echte“ Sprache, stehe aber in keiner Verbindung zu den Bereichen des Gehirns, in denen bewusste Kommunikation abläuft.
Während die Kontemplativen sehr bewusste Erlebnisse des Einswerdens machen, dominiert für die anderen das Aufgeben der bewussten Kontrolle und die Erfahrung des bleibenden Gegenübers, der Verschiedenheit des Beters von Gott. Zwei ganz unterschiedliche Ansätze, die zu unterschiedlichem Erleben führen, die aber beide als Gottesbegegnung empfunden werden. Es erklärt aber vielleicht auch, warum die beiden Richtungen einander oft fremd bleiben und sich womöglich auch schlecht „mischen“ lassen.
Schärfe und Unschärfe (das sind jetzt meine Worte) scheinen also verschieden verteilt, wenn es um die Polarität zwischen dem Selbst und Gott geht. Auf der einen Seite steht einem unscharfen Selbst das klare Bewusstsein des Gegenübers vor Augen, auf der anderen Seite empfindet ein aufmerksam gesammeltes Selbst die Berührung mit dem Du eher als etwas tief Innerliches, weniger als etwas, das „von außen“ kommt.
Die Auswirkungen von Übungen zur Kontemplation und Achtsamkeit scheinen nebenbei deutlich besser erforscht. Hier lassen sich, wie Hagerty verrät, eine ganze Reihe von Veränderungen bei gut trainierten Testpersonen messen. Ähnlich wie sich beim Ausdauersportler der Ruhepuls verschiebt, so sind Menschen hier in der Lage, schneller wieder zu einem seelischen Gleichgewicht zurückzukehren, sie sind deutlich emphatischer, wacher und fröhlicher, zudem halten die positiven Zustände länger an und erfordern weniger Reize von außen.