Leitung einer missionalen Gemeinde (2): Den Kopf frei kriegen

Ich komme zum 2. Kapitel aus Alan Roxburghs The Missional Leader: Equipping Your Church to Reach a Changing World und es geht darum, unsere Vorstellungskraft zu kultivieren.

Viele Gemeinden haben die Hoffnung verloren, dass Gottes Geist in ihnen und durch sie wirkt. Die Bibel dagegen ist voll von Geschichten, wo Gott genau die Menschen und Orte erwählt, die von allen anderen abgeschrieben werden. Wenn wir die Inkarnation ernst nehmen, müssen wir uns genau darauf einstellen. Die Autoren schreiben treffend:

In diesen Geschichten steht nichts davon, dass erst mal alle, die da nicht hingehören, aus dem Bus aussteigen und die richtigen einsteigen müssten, um Großes zu erreichen und die beste Organisation der Welt zu werden. Dieser Gott, der uns auf den Fersen ist, ruft immer die falschen Leute in einen Bus, von dem niemand damit rechnet, dass er ankommt.

Gottes Zukunft beginnt mitten unter seinem Volk, für das Ezechiel das Bild der vertrockneten Gebeine gebraucht hatte. Sie beginnt unspektakulär im Gewöhnlichen – zumindest für alle, die es nicht gewohnt sind, die Geschichte mit solchen Augen zu betrachten. Denn das Gewöhnliche ist das Geistliche, wenn und weil Gott dort wirkt.

Die Kultur einer Gemeinde muss ernst machen mit dieser Einsicht. Die Gemeinde muss aber auch verstehen, dass die Welt sich geändert hat. Menschen empfinden der Kirche gegenüber kaum noch eine Art von Bindung oder Verpflichtung und sie machen sich nicht die Mühe, kirchliche Binnensprache zu lernen. Christen fühlen sich umgekehrt immer fremder in einer Umgebung, die ihre Anschauungen und Werte nicht mehr teilt.

Also müssen Gemeinden angeleitet werden, danach zu fragen, wo und wie Gott heute wirkt und wirken möchte. Mitten in dem radikalen Wandel gilt es, vorgefasste Meinungen zurück zu lassen, keine Standardantworten auf Fragen zu geben, die keiner mehr stellt, und wieder genau hinzuhören. Kleingruppen etwa müssen aufhören, sich um die Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu drehen, und damit anfangen, Gott und sein Reich in den Mittelpunkt zu stellen.

Gerade in Krisenzeiten wird der Ruf nach einem starken Leiter, einem Unternehmertypen, immer lauter. Er entspricht dem Mythos der heldenhaften Persönlichkeit, des großen Menschen. es geht aber nicht darum, anderen die Erleuchtung zu bringen, sondern einen Raum zu schaffen, der es den Gemeindegliedern ermöglicht, ihre Beobachtungen und Erfahrungen zu machen, mitzuteilen und zu erspüren, wohin Gottes Geist sie führt. Ein dreifaches Bewusstsein ist gefragt:

  1. Davon, was Gott im Leben der Gemeinde und ihrer Glieder wirkt
  2. Wie Gottes Wirken von dieser Gemeinde ausgehen und Kreise ziehen kann
  3. Was Gott im Umfeld der Gemeinde schon längst zu tun begonnen hat

Wenn man diesen Fragen Raum gibt, entsteht auch der Raum für Experimente. Teams bilden sich und nehmen verschiedene Aktionen in Angriff. Die Schrift wird plötzlich zur lebendigen, aufregenden Rahmengeschichte des Gemeindelebens und hört zugleich auf, ein trockenes dogmatisches Lehrbuch oder ein Katalog für persönliche Problemlösungen zu sein. Es bilden sich neue Praktiken und Gewohnheiten heraus – meditative Formen der Schriftlesung und des Betens, einfachen Lebens und der Gastfreundschaft – ohne die keine missionale Gemeinde existieren kann.

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