Wir hatten gestern ein anregendes Gespräch über das Evangelium und dabei besonders die Frage, wie Erlösung zu verstehen ist. Das klassische Schema westlicher und besonders konservativ-evangelikaler Lesart ist, dass Christus durch seinen Tod am Kreuz den Preis für die schuldige Menschheit bezahlt und sie so mit dem gerechten Gott versöhnt hat. Wer sich auf dieses Angebot einlässt, empfängt Vergebung als eine Art Freispruch und “kommt in den Himmel”.
Im Hintergrund dieser Argumentationslinie erkennt man die Satisfaktionslehre von Anselm von Canterbury, die auf das römische Recht aufsetzt und das mittelalterliche Feudalwesen widerspiegelt: Die Sünde der Menschen ist ein Vergehen an der Ehre Gottes. Christus leistet mit seinem stellvertretenden Tod die nötige Genugtuung, der eigentlich Schuldige wird daher freigesprochen. Thomas von Aquin hat den Gedanken dann erweitert, die katholische Kirche hat ihn im Konzil von Trient dogmatisiert und auch im Protestantismus ist das stellvertretende Strafleiden zur alles bestimmenden Theorie geworden.
Die Problematik dieser Gedanken ist die,
- dass Gott als Kläger und Richter in einem erscheint, wir als die Angeklagten
- die Beziehung zwischen Mensch und Gott primär in den juristischen Kategorien von Schuld und Strafe beschrieben wird (statt in Beziehungskategorien wie Vertrauen und Misstrauen, Angst und Hoffnung, Liebe und Hass, …)
- dass der Begriff von Gerechtigkeit griechisch bzw. lateinisch verstanden wird (jeder bekommt, was er verdient)
- die eigentliche hebräische Bedeutung dahinter verloren geht (Gottes Bundestreue, mit der er zu seinen Zusagen steht)
Noch etwas weiter gedacht heißt das, dass in diesem einseitigen Verständnis des Evangeliums
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