Weisheit der Woche: Alles simpel?

Ich habe mich immer gewundert, dass wir zwar von jedem Fernsehtechniker erwarten, auf der Höhe der Zeit zu handeln, dass aber ausgerechnet dort, wo es um die Fragen des Lebens und Sterbens geht, alles ganz einfach liegen soll. Ich habe deshalb meine Probleme mit Theologen, die alles simpel haben wollen – sich auch mit entsprechender Simplizität in die Diskussionen der Welt- und Wirtschaftskinder einschalten.

Robert Leicht in der Zeit

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Afrika: Schwarzseher irren

Da habe ich eben noch geschrieben, dass wir zu oft ökonomische Maßstäbe anlegen, und just erscheint ein Bericht der Zeit, dass gerade ausgerechnet Ökonomen beweisen, dass es mit Afrika spürbar bergauf geht und extreme Armut dort möglicherweise weitgehend überwunden werden kann – vielleicht muss man also fragen: Was ist schlimmer, als alles ökonomisch zu bewerten? Und die Antwort lautet: Es ökonomisch falsch zu bewerten.

Zurück nach Afrika und zum Nutzen richtiger Bewertungen: Die Misere dieses Kontinents ist lange als unabänderlich beklagt worden, Lichtblicke schien es wenige zu geben. Dabei zeigen die Wirtschaftsdaten nach den Analysen der Ökonomen Maxim Pinkovskiy vom Massachusetts Institute of Technology und Xavier Sala-i-Martin von der Columbia University in New York, dass die Entwicklung seit Jahren zum Guten hin verläuft und keineswegs alles so bleiben muss, wie es aufgrund der bösen oder tragischen Vorgeschichte bisher war. Denn die Zahl der Armen nimmt ab, inzwischen sogar recht zügig, und das lässt hoffen:

Die Zahl der Menschen, die in extremer absoluter Armut leben müssen, sank von 41,6 Prozent im Jahr 1990 auf 31,8 Prozent im Jahr 2006. Sie sank sehr viel schneller in Ländern, die mit besonders hohen Armutsraten begonnen haben, also passen sich die Armutsraten an. »Sogar die elendsten Teile des ärmsten Kontinents können auf einen nachhaltigen Pfad gelangen und innerhalb eines Jahrzehnts die Armut ausrotten«, folgern Pinkovskiy und Sala-i-Martin.

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Emergente Christologie

Vor einer Weile habe ich hier skizziert, wie mein Doktorvater Berndt Hamm den aus der Biologie und Systemtheorie entlehnten Begriff der Emergenz gewinnbringend auf die Kirchengeschichte angewandt hat, und schon vor längerer Zeit darauf verwiesen, dass er auch bei Michael Welker in der Pneumatologie erscheint.

Nun habe ich in den letzten Tagen über der Christologie gebrütet und dazu einen Aufsatz in diesem Sammelband von Hans-Joachim Eckstein gelesen, wo er beschreibt, wie sich innerhalb kürzester Zeit, sprich: schon in den frühen Paulusbriefen, Ansätze einer „hohe Christologie“ herausgebildet haben, die den christlichen Gottesbegriff radikal verändert haben gegenüber dem jüdischen Mono- und dem heidnischen Polytheismus.

Und wieder ist es die innovative Verknüpfung zweier längst vorhandener Traditionen, die die Grundlage dafür bildet: Auf der einen Seite stehen Messias, Menschensohn, Gottesknecht – also die Erwartung, dass Gott durch konkrete Personen geschichtlich handelt und das Schicksal der Welt wendet -, auf der anderen Seite die Weisheit Gottes, die ewigen Ursprungs ist und an der Erschaffung der Welt beteiligt, auch wenn sie im Judentum nicht als richtig eigenständiges Wesen gedacht wird. Nur so war es möglich, die (durchaus später noch auftretenden) falschen Alternativen des Adoptianismus (der wäre so neu nicht gewesen in der Antike) oder des Modalismus (Gott verkleidet sich vorübergehend als Mensch) zu vermeiden.

Freilich geschah dies erst im Rückblick auf das Leben, den Tod und die Auferstehung Christi. Wie das Staunen der Jünger und der Protest der Pharisäer, Priester und Schriftgelehrten zeigt, waren zwar die Puzzleteilchen dafür zwar längst vorhanden, niemand aber hatte sie bis dahin in dieser Form zusammengesetzt und nicht jeder fand die neue Konstellation großartig. Exakt diese spannungsreiche, dynamische Verbindung von Kontinuität und Diskontinuität ist es, was der Begriff „Emergenz“ bezeichnet. Ein paar Jahrhunderte später erfindet die Kirche dafür dann den Begriff der Dreieinigkeit.

Nach vorn gedacht bedeutet das, dass Theologie durchaus zu neuen Deutungen und Begrifflichkeiten kommen kann, die nicht etwa ein Abfall von der bekannten Wahrheit sind, sondern ein tieferes Verstehen ermöglichen und alte Alternativen überwinden – also auch hier ein „dritter Weg“. Manchmal muss man wohl auch alle vorhandenen Traditionen zusammenbringen und neu kombinieren, um dem gerecht zu werden, was Gott in der Welt tut. Und um noch einmal auf Hamm und die Reformation zurückzukommen: Manchmal ist die Zeit dafür einfach reif.

Ob das auch auf unsere Situation zutrifft, wissen wir dann in fünfzig Jahren…

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Machtrausch, Marken und Moneten

Seit einer ganzen Weile schon beschäftigt mich das Stichwort „Ökonomisierung“. Das ist ein gesellschaftliches Phänomen, das sich überall beobachten lässt. Wirtschaftliche Kriterien werden immer häufiger in den verschiedensten Lebensbereichen angelegt, zum Teil sicher auch deswegen, weil uns ethische Kriterien als zu unscharf und zu wenig „eindeutig“ erscheinen und wir meinen, nüchterne Zahlen sprächen eine klare Sprache, zum anderen, weil ideologische Diskussionen und weltanschauliche Grabenkämpfe verfahrene Situationen produziert haben, und schließlich, weil so mancher einstmals unumstrittene Maßstab längst individueller Beliebigkeit gewichen ist.

Familie, Liebe, Partnerschaft und vor allem Kinderwunsch und Geburtenrate werden immer stärker in ökonomischer Begrifflichkeit von kurz- und langfristigen Kosten und deren Kompensation beschrieben und analysiert, im Bereich der Zuwanderung rechnet Sarrazin uns beängstigende Zahlen vor und andere rechnen engagiert dagegen, kaum jemand stellt jedoch in Frage, ob das Rechnen denn die höchste Bürgerpflicht ist. Und in der Klimadebatte geht es nicht zuerst um aussterbende Spezies und das Elend der Opfer von Flut und Dürre, sondern ein paar Schlaumeier rechnen sich hier und da äußerst zweifelhafte Vorteile heraus.

In diesen Tagen zog die Studie „Deutsche Verhältnisse 2010“, die weltweit größte Vorurteilsstudie, laut Tagesschau.de das deprimierende Fazit, dass Deutschland nicht nur momentan ganz physisch, sondern langfristig und konstant sozial vereist:

Wer eine ökonomistische Sichtweise teilt – also Menschen nach ihrem Nutzen beurteilt – neigt der Studie zufolge deutlich eher zur Abwertungen schwacher Gruppen. Der Zusammenhang ist bei denen besonders hoch, die sich selbst „oben“ verorten. Insgesamt sei „eine ökonomistische Durchdringung sozialer Verhältnisse zu registrieren“.

Aber selbst wenn man in die Kirchen schaut, wird auch überall gerechnet, gerechnet, gerechnet. Die großen Kirchen errechnen Stellenpläne, die entlang demografischer Kurven schrumpfen müssen, und am manchen Orten hat sich längst eine Art Dienstleistungsekklesiologie etabliert, wo man sich als Anbieter religiöser Waren und Leistungen versteht und aus der Nachfrage nach solchen Dingen die Existenzberechtigung der Institution wie auch ihrer Strukturen (hier vor allem der Kirchensteuer) ableitet.

In evangelikalen Gemeinschaften und den verschiedenen Freikirchen sieht man die große Institution eher kritisch, meidet tendenziell ein allzu unverbindliches Verständnis von „Dienstleistung“, hat aber das trojanische Pferd der Ökonomie von der anderen Seite her in die Stadt geschoben: Möglichst kräftiges quantitatives Wachstum wird häufig unreflektiert zum Kriterium von Erfolg und Qualität gemacht, „Kennziffern“ orientieren sich an der Zahl der Köpfe. Statt der Institution wird nun die Firma zur heimlichen Metapher, die Leiter sind nun nicht mehr Gelehrte – oder seit den 70er Jahren auch sehr verbreitet: Therapeuten –, sondern Manager und Unternehmer. Wachstumskonzepte werden (ohne das transparent zu machen) aus dem Marketing geklaut (zum Beispiel kopiert der unselige G12-Ansatz einen Strukturvertrieb). Wie in der „realen Wirtschaft“ entsteht auch hier ein Verdrängungswettbewerb mit alle möglichen ungesunden Zwängen. Plötzlich muss man sich zum Beispiel um das Image der „Marke XY“ sorgen. „Mission“ wird unter der Hand zum Vertriebsproblem: Wie bringt man das Evangelium so an den Mann, dass es sich für die Organisation auszahlt?

Andere Denkweisen sind also gefragt: Will man Kirche/Gemeinde „organisch“ denken darf man nicht nur auf exponentiale Reproduktionskurven abfahren (da wären wir wieder beim Schneeballsystem des Strukturvertriebs), sondern man muss sie eher als Ökosystem innerhalb eines größeren Ökosystems denken. Nach innen wie nach außen muss ein fruchtbarer, nachhaltiger Austausch stattfinden. Vor allem muss der Punkt herauskommen, der Paulus zu seinem organischen Vergleich in 1.Kor 12 veranlasst hat: Niemand ist minderwertig oder überflüssig. Auch nicht die, die die neuesten kirchlichen Erfolgstrends ignorieren oder verschlafen haben.

Meine grundlegende Sorge aber ist die: Wenn wir ökonomische Metaphern weiter in diesem Maß akzeptieren, werden sie unsere Gedanken und Diskussionen beherrschen – und schließlich pervertieren. Wir müssen uns von ihnen befreien. Und in einer Gesellschaft, die das schon längst exzessiv tut, müssen wir unbedingt gegen den Strom schwimmen, wenn wir das Evangelium nicht – nicht einmal mit dem besten Absichten – verraten wollen. Im Magnificat finden wir dazu eine Ahnung von Gottes alternativer, weil barmherziger Ordnung, die die Schwachen nicht ab- sondern aufwertet. Ganz einfach deshalb, weil er sie erwählt hat, und weil in dieser Erwählung Nützlichkeitskriterien keine Rolle spielen:

Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er lässt die Arroganten ins Leere laufen;

er kippt die Mächtigen aus ihren Chefsesseln und erhöht die Niedrigen.

Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.

Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat,

Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

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Weite Wege und feine Unterschiede

Diese Woche las ich die bekannten Verse aus Matthäus 18:

Jesus sagte zu seinen Jüngern: Was meint ihr? Wenn jemand hundert Schafe hat und eines von ihnen sich verirrt, lässt er dann nicht die neunundneunzig auf den Bergen zurück und sucht das verirrte? Und wenn er es findet – amen, ich sage euch: er freut sich über dieses eine mehr als über die neunundneunzig, die sich nicht verirrt haben.

Beim Lesen erinnerte ich mich an folgende Aussage in Matthäus 23,15:

Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr zieht über Land und Meer, um einen einzigen Menschen für euren Glauben zu gewinnen; und wenn er gewonnen ist, dann macht ihr ihn zu einem Sohn der Hölle, der doppelt so schlimm ist wie ihr selbst.

und fragte mich: Was genau unterscheidet nun das eine vom anderen? Missionseifer und die Bereitschaft, weite Wege zu gehen jedenfalls nicht. Gilt hier also: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es deshalb noch lange nicht das Gleiche…?

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Weisheit der Woche: Gedanken-Gänge

Wenn ganz Deutschland jeden Tag für eine Stunde nicht kommunizieren würde, dann hätten wir hier den größten Innovations- und Kreativitätsschub, den man sich vorstellen kann.

und:

Der Physiker Hermann von Helmholtz sagte einmal, er könne überhaupt nur im Gehen denken. Ich erlebe das ähnlich: Im Gehen kommen mir die besten Ideen.

Der Forscher Ernst Pöppel in einem lesenswerten Artikel auf Zeit online

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Die Spargefahr

Noch tagen sie in Cancun, aber auch der kleine Mann darf ja überlegen, wie man Strom spart und das Klima schont. Wobei auch das eine zwiespältige Sache sein kann. Wir haben im Treppenhaus eine Birne gegen eine Sparlampe ausgetauscht – blöderweise ein NoName-Produkt – und wenn man nun schnell von einem Stockwerk ins andere will, muss man sehr vorsichtig gehen, weil das Teil Minuten braucht, um die volle Leuchtkraft zu erreichen. Bis dahin bin ich schon entweder gestolpert oder oben und schalte wieder aus. Auf Dauer viel zu gefährlich. Aber wenn man die Lampen im Geschäft sieht, brennen sie meistens schon und sind natürlich auch gleich wieder voll da, wenn man sie kurz ausknipst und wieder einschaltet. Edison würde sich im Grab umdrehen bei diesem Ramsch.

In einem anderen Zimmer habe ich eine Lampe mit Sparbirnen montiert, und es passen da nur Produkte eines Billiganbieters hinein. Die sind zwar nur halb so teuer wie das Markenprodukt mit gleicher Leistung, leider haben sie, wie sich herausstellte, auch weniger als ein Viertel der Lebensdauer (und müssen dann in den Sondermüll…) – und sie machen auch gar kein schönes Licht. Also kaufen wir ab jetzt nur noch die des großen Markenherstellers mit den orangen Packungen, trotz Premium-Preis. Alles andere wäre am falschen Ende gespart. Und von der Lampe mit den Sparbirnen aus der blau/grünen Packung habe ich die Schirmchen abmontiert, da kommen jetzt „gescheite“ Leuchtmittel hinein. Das sind wir dem Advent schuldig…

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Glaube zum Anfassen

Ich bin noch eine Weile in dem „Menschenfischerkapitel“ Markus 1 hängengeblieben. Jesus hält keine Reden dort, sondern er gibt kurze Ansagen (wie den Ruf, Menschenfischer zu werden) und dann handelt er. Denen, die um sein Handeln ein großes Palaver veranstalten, die zwar die „Wahrheit“ über ihn sagen würden, aber in einem falschen Kontext und zur Unzeit, denen verbietet der den Mund – im Falle des Besessenen in der Synagoge mit mehr, im Falle des geheilten Aussätzigen mal mit weniger Erfolg. Man kann das Evangelium offenbar auch zerreden.

Aber es fällt auf, welche Rolle Berührungen hier spielen. Als Jesus vom Fieber der Schwiegermutter des Petrus hört, nimmt er einfach nur ihre Hand und richtet sie wortlos auf. Und zu dem Aussätzigen sagt er nur einen kurzen Satz, aber er berührt ihn, obwohl der unrein ist.

Kranke besuchen und berühren würde ich auch öfter, wenn ich sicher wäre, dass sie danach gesund sind, dachte ich mir beim Lesen – um mich gleich darauf zu fragen, wo mich Berührungsängste davon abhalten, die Hand eines anderen zu ergreifen oder mich zumindest nicht zurückzuziehen, um meiner eigenen Hilflosigkeit nicht so ausgesetzt zu sein. Das auszuhalten, vermute ich, ist in der Aufgabenbeschreibung für Menschenfischer auch enthalten.

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Menschenfischer

Bei unserer Büroandacht stießen wir gestern auf das Wort Jesu an seine ersten Jünger, sie sollten „Menschenfischer“ sein. Das weckt ganz unterschiedliche Assoziationen: Vor dem Hintergrund der rücksichtslosen industriellen Ausbeutung und Überfischung der Meere erscheint die Metapher als unpassend. Wer – beziehungsweise: was hier „gefischt“ wird, den erwartet der Tod und nur der Tod, nicht die „Fülle des Lebens“. Von daher ist es unglücklich, wie dieser Ruf manchmal etwas plump und ohne großes Problembewusstsein zur Begründung dieser oder jener evangelistischen Methodik und Strategie benutzt wurde, in der Menschen eher als Objekte erscheinen.

Wenn das aber vermutlich nicht gemeint war, knüpft dann Jesus mit dem Begriff am Beruf und der Kompetenz von Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes an? Erscheint damit Nachfolge als etwas, auf das Gott sie schon vorbereitet hat? Was würde Jesus einem Metzger, einem Taxifahrer oder einem Informatiker dann sagen?

Vielleicht ist da auch etwas dran. Ich denke aber, man muss – wie so oft – ein paar Seiten zurückblättern in der Bibel. Dann findet man die folgenden Verse:

Darum seht, es werden Tage kommen — Spruch des Herrn -, da sagt man nicht mehr: „So wahr der Herr lebt, der die Söhne Israels aus Ägypten heraufgeführt hat!“, sondern: „So wahr der Herr lebt, der die Söhne Israels aus dem Nordland und aus allen Ländern, in die er sie verstoßen hatte, heraufgeführt hat.“ Ich bringe sie zurück in ihr Heimatland, das ich ihren Vätern gegeben habe. Seht, ich hole viele Fischer — Spruch des Herrn -, die sollen sie fangen (Jer 16,14-16)

Die Menschenfischer sammeln Gottes Volk aus der Zerstreuung und symbolisieren das Ende des Exils. Anders gesagt, sie sind das erkennbare Zeichen dafür, dass Gottes Schweigen in Israels Geschichte und seine Abwesenheit ein Ende haben, dass seine Herrschaft anbricht und für das zwischenzeitlich verstoßene Israel wie für die ganze Welt Heilung bedeutet.

Die Menschenfischer sind unterwegs mit der Botschaft von der großen Heimkehr. Sie erinnern Menschen an ihre möglicherweise schon fast vergessene Bestimmung. Und wer sich erinnern lässt, ist damit schon selbst zum Menschenfischer geworden.

Vergleichen kann man das, sagt Jeremia, eigentlich nur mit dem Exodus zur Zeit Moses. Aber der wird von dieser Befreiungsaktion locker überboten. Und Jesus weitet das auch gleich noch universal aus: In seiner Verkündigung fehlt der Bezug auf das Land, den es bei Jeremia noch gab: Auch die Heiden werden kommen und bei Gott zu Tisch sitzen. Viele werden es sein.

Wenn das keine adventliche Botschaft ist…

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Gute Wahl

Der künftige Landesbischof von Hannover, Ralf Meister, gibt ein kurzes Interview und spricht sich für eine Stärkung des Erwachsenenkatechumenats aus – für Glaubenskurse also. Man spricht da über grundlegende Glaubensfragen, verbindet das gern mit einem Essen und fährt auch mal einen Tag zusammen weg, sagt er.

Das klingt ja alles sehr vertraut

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Heiße Fragen, laue Antworten?

Der Klimagipfel in Cancún beginnt. Wir haben zwar gute Aussichten auf einen Jahrhundertwinter, sagt die Zeitung, aber der Erderwärmung tut das leider gar keinen Abbruch. Der kleinen Gruppe von – etwas euphemistisch so genannten – „Klimaskeptikern“ ist es gelungen, mit der Hilde von Sponsoren und einigen Medienleuten viel Wind zu machen, oder vielleicht sollte man besser sagen: einige Nebelkerzen zu zünden.

John Houghton hat es in Kapstadt ja noch einmal betont: Die Fakten sind unter der überwältigenden Mehrheit der Forscher in allen wesentlichen Fragen unumstritten – das ist durchaus bemerkenswert. Nun ist die Frage, ob etwas geschieht. Im Vergleich zur Bankenrettung, die immer noch keine Ende hat, wäre die Rettung der Atmosphäre vor mehr Kohlendioxid ein echtes Schnäppchen.

Weitere interessante Einzelheiten zur systematischen Verhinderung konkreter politischer Maßnahmen verrät dieser Artikel der Zeit. Besonders peinlich sind dabei ein paar Zitate der umweltpolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Marie Luise Dött, die offenbar eher der obskuren Organisation EIKE als dem Weltklimarat vertraut. Das lässt, wie viele andere Informationen, nichts Gutes ahnen. Aber hoffen darf man ja doch – beten auch, dass es kein allzu lauer Gipfel wird.

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Ein gemachter Mann

Ich wusste erst gar nicht, wie mir geschieht: „Melissa, machst du mal den Herrn da?“, rief die Verkäuferin in der Bäckerei ihrer Kollegin zu. Melissa bequemte sich mi mir herüber, und machte – das heißt, sie reichte mir die Apfeltasche aus der Theke und kassierte.

Tja und dann verließ ich den Laden wieder als gemachter Mann! So schnell kann es gehen 🙂

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Unerhört…

Vor einer Weile war ich auf dem Land in einer großen evangelischen Kirche. Es war nachmittags unter der Woche und ich war allein. Vor dreißig Jahren muss ich schon mal da gewesen sein, aber ich konnte mich an gar nichts mehr erinnern. Also schaute ich mich neugierig um. Hinten im Kirchenschiff hing ein schwarzes Brett mit etlichen Anschlägen. Darunter auch ein weißes Blatt mit Stichworten zum Thema „Warum Gott Gebete nicht erhört“.

Es war eine grausige Liste, ein wahrer Lasterkatalog: Selbstsüchtige Bitten, heimliche Sünden, Stolz und was sonst noch alles mein Anliegen in Gottes Spamfilter landen lässt – bestimmt acht oder zehn deprimierende Punkte. Je nachdem wie selbstkritisch man ist, wagt man sich gar nicht mehr vor mit seinem Anliegen, dachte ich. In dieser Einseitigkeit ist die Aufzählung mit ihren vielen Bibelstellen trotzdem falsch. Denn manchmal schweigt Gott eben, und niemand kann sagen, warum.

Dann sah ich aber: Jemand hatte etwas mit Bleistift druntergekritzelt. Da stand dann (den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr): „Ich finde das eine menschliche Anmaßung“. Recht hat er, der unbekannte Protestler. Ich hoffe, die Liste mit dem Kommentar bleibt da noch lange hängen.

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Die (Post)Modernität umarmen

Benedikt XVI. ist immer für Überraschungen aller Art gut. In einem Artikel des Feuilleton der FAZ über das neue Interviewbuch von Peter Seewald und dem Pontifex findet sich dieses Zitat zur Moderne, vielleicht demnächst ja auch zur kritisch beargwöhnten Postmoderne, falls der Papst das hier nicht auch schon mit gemeint hat. Es ist seine Version des Stichworts „Kontextualisierung“ und eine Mahnung an die Traditionalisten in den eigenen Reihen:

Das Christliche darf nicht zu einer archaischen Schicht werden, die ich irgendwie festhalte und gewissermaßen neben der Modernität lebe. Es ist etwas seltsam Lebendiges, etwas Modernes, das meine gesamte Modernität durchformt und gestaltet – und sie insofern regelrecht umarmt.

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ef10: Muntere Diskussionen

Ich habe noch etwas gebraucht, um das Emergent Forum innerlich auszuwerten. Vieles haben andere schon erwähnt: die tolle Aufnahme im Weigle-Haus, die vielen „Neuen“, die vielfältigen, oft sehr kreativen Beiträge und die große Themenvielfalt. Dazu natürlich: Wiedersehen mit alten Freunden, gute Gespräche mit so manchen neuen Bekannten in einer fröhlichen Umgebung.

Richtig gut hat mir auch der Altersquerschnitt gefallen, mit sehr vielen jungen, aber eben auch einem stabilen Anteil von Leuten so eher Richtung Lebensmitte, von denen waren auch schon einige letztes Jahr dabei. Dass sie wiedergekommen sind, ist auch ein gutes Zeichen. „Emergenz“ ist also keine Frage des Alters, und auch nicht der Konfession.

Besonders gefreut hat mich, dass Walter Faerbers Anstoß zur Neubelebung der müden Initiative Theologie auf so große Resonanz gestoßen ist. Wir planen für nächstes Jahr ein Treffen, wo wir mal so richtig die Köpfe rauchen lassen wollen. Inhaltlich wird es um die Frage gehen: „Was ist das Evangelium?“

An manchen Punkten konnte auf dem Form die Frage nach dem dritten Weg nur angerissen werden. Ob wir zu jedem (vermeintlichen) Gegensatzpaar einen finden, ist für mich immer noch offen. Den Mitwirkenden der meist kurzen Einheiten war das in der Regel zwar klar, aber vielleicht nicht allen TeilnehmerInnen. Womöglich wäre es hilfreich gewesen, mit allen gemeinsam noch etwas intensiver darüber nachzudenken, wie das mit dem dritten Weg „funktioniert“, bevor man es konkret durchspielt. Wenn man von den Gegensätzen und Polaritäten ausgeht, verstellen sie einem allzu leicht den Blick, oder man bleibt in der Reaktion insofern stecken, als man das, was man ablehnt, nur in sein Spiegelbild verkehrt, nach dem Motto: Ich habe unter autoritären Leitern oder Eltern gelitten, also darf jetzt keiner mehr Macht ausüben, egal in welcher Form.

Es gibt ja durchaus hilfreiche Beispiele: Statt biblische Irrtumslosigkeit (konservativ) zu verteidigen oder alles, was man nicht mag und versteht, mit den Mitteln historisch-kritischer Exegese als fromme Legende oder vormoderne Naivität abzutun, können wir mit Walter Brueggeman anfangen, die Bibel als ein Buch zu lesen, durch das Gott unsere Sehgewohnheiten, unsere Phantasie und unser Denken neu formt. Etwas platt gesagt: Es geht nicht um Information, sondern um Transformation. Es geht weniger um einzelne Aussagen, als um die Gesamtrichtung der Texte. So ähnlich argumentiert auch Richard Rohr in Ins Herz geschrieben (und was mich schon immer gewundert hat: je mehr manche Leute das Wirken des Geistes bei der Entstehung der Schrift betonen („Inspiration“), desto weniger kommt er bei deren Interpretation noch vor).

Ich denke durchaus, dass wir an einigen Stellen diese Gegensätze überwunden haben – dass das Evangelium auch politische Seiten hat, scheint mir wirklich keine Frage mehr gewesen zu sein unter den Anwesenden. Die Frage war nur noch, was man den Kritikern – kirchlich wie säkular – dann antwortet. Und bei manchen Themen, etwa beim „richtigen“ Führungsstil oder der Gestaltung von Veränderungsprozessen, scheint mir ja eher emotionale Intelligenz und Augenmaß gefragt, als ein grundlegender Wechsel paradigmatischer Anschauungen, wie es die Rede vom „dritten Weg“ impliziert.

Die Themen gehen uns also noch lange nicht aus… 🙂

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